Offener Brief an Rainer Wendt

Cover SCHALKE UNSER 80
SCHALKE UNSER 80

Deutsche Polizeigewerkschaft
Bundesgeschäftsstelle
Friedrichstraße 169/170
10117 Berlin
Schalke, 27. November 2013

Tach, Herr Wendt, eigentlich wollten wir Ihnen an dieser Stelle einen offenen Brief schreiben und noch mal bekräftigen, dass viele Fußballfans von Ihren faktenfreien Meinungsbekundungen wenig halten. Aber das wissen Sie bestimmt schon längst, deshalb fiel dieser Absatz dem Blaustift zum Opfer.

Auch wollten wir noch mal betonen, dass Sie von uns aus gerne Ihre Meinung kundtun dürfen, denn in Deutschland herrscht Meinungsfreiheit, aber Sie halten ja wohl nicht viel von diesem komischen Grundrecht. ,,Dieser Vorwurf des unrechtmäßigen Einschreitens der Polizei ist ungeheuerlich. Das können wir uns nicht gefallen lassen”, haben Sie gesagt. Herr Wendt: Das müssen Sie sich in einem Rechtsstaat sogar gefallen lassen! Das ist just diese Meinungsfreiheit, wegen der Sie ungestraft unter Umgehung aller Fakten Ihre Meinung verbreiten dürfen. Brauchen wir Ihnen aber eigentlich nicht zu erklären, steht schließlich im Grundgesetz. Artikel 5, falls Sie beim Aufräumen das kleine Büchlein mal wiederfinden, auf das Sie vor Jahren einen Eid abgelegt haben. Sie erinnern sich? Nee? Haben wir uns schon gedacht.

Und wir hätten Ihnen auch geschrieben, dass viele Beamtinnen und Beamten beim Einmarsch in die Schalker Nordkurve Augenmaß haben walten lassen. Es waren nicht alle, die acht Jahre alten Kindern Pfefferspray in die Augen gesprüht haben – übrigens nicht ,,ein bisschen Pfeffer””, sondern ein chemisches Kampfmittel, das unter die Genfer Protokolle fällt und im Krieg wegen seiner Unmenschlichkeit verboten ist. Es waren wenige, die ihre Schlagstöcke noch gegen Menschen richteten, die schon längst auf der Flucht waren. Aber Sie haben den Pfefferspray- und Schlagstockeinsatz in der Ihnen eigenen Verbalakrobatik ja bereits als verhältnismäßig bezeichnet. Also weg mit dieser Passage.

Im Brief hätte auch gestanden, dass viele Beamtinnen und Beamten an jenem verhängnisvollen Tag in der Nordkurve einen guten Job gemacht haben. Zugegeben, Sie haben dem Einsatzleiter nicht erfolgreich widersprochen, vielleicht auch gar nicht. Sie hätten es – weil sie Bürger bleiben, selbst wenn sie Kampf- uniform tragen – tun sollen. Aber diese Beamtinnen und Beamten haben wenigstens nicht wild auf unschuldige Schalker eingeschlagen, sondern ihren Dienst ganz vorschriftsmäßig mit dem notwendigen und vorgeschriebenen Augenmaß ausgeübt, auch wenn die Lage durch die fatale Fehleinschätzung des Einsatzleiters schon eskaliert war. Diese Ihre Kolleginnen und Kollegen haben auch in der Situation noch Ruhe sowie Umsicht bewahrt – und sich selbst ihre Menschlichkeit. Und statt die zu schützen, stellen Sie sich lieber vor die Verbrecher. Die anderen sollte man als Gewerkschaftler vertreten … Aber wir haben diesen Absatz lieber gestrichen, denn wir wissen, dass Begriffe wie Augenmaß, Widerspruch und Fehleinschätzung bei Ihnen gesundheitsgefährdende Reaktionen auslösen. Nun regen Sie sich mal nicht auf. Wenn es Ihnen hier nicht gefällt, dann gehen Sie doch nach ,,drüben”. Egal, wo das mittlerweile sein mag.

Tja, und dann waren wir schon am Ende des Briefes und haben die unglückliche Schlussformulierung ,,Mit freundlichen Grüßen” ganz schnell wieder entfernt. Sorry, das war unser Fehler. Da können Sie ausnahmsweise wirklich nichts für. Ehrlich, nun lassen Sie doch mal Ihr Pfefferspray im Halfter stecken. Hatte nur was mit Höflichkeitsformen zu tun, die wir normalerweise an den Tag legen. Wir wollten Sie nicht provozieren und es soll auch nicht wieder vorkommen. Okay? Und warum schreiben wir das alles hier? Weil so ‘ne weiße Seite an prominenter Stelle im Heft echt doof wäre. Andererseits, wo wir gerade mal so darüber nachdenken: Eine leere Seite, wenn Sie das nächste Mal Ihre demokratietheoretischen Ansichten verkünden wollen, wäre echt nicht die schlechteste Lösung. Jetzt stutzen Sie bestimmt beim Wort ,,Nachdenken”. Nein, bitte keine Rückfragen. Ihnen das zu erklären, schaffen selbst wir nicht.

Stets auf dem Boden des Grundgesetzes stehend

Ihre SCHALKE UNSER-Redaktion