Der Kreisel kommt ins Rollen

Dieser Text (Kapitel 3–7) ist ebenfalls im SU veröffentlicht worden, allerdings nicht im Rahmen der Skandal-Geschichten (sondern „Mythos Schalke“), kommt aber dennoch zur „Abrundung“ rein. Ansonsten fehlt der gesamte Zeitaspekt zwischen 1931/32 und 1958.

Sechsmal holten die Königsblauen zwischen 1934 und 1942 die Meisterschaft an den Schalker Markt – einmal (1937) wurde der DFB-Pokal und damit das Double gewonnen. Sportlich läuft es prima, die Skandale bleiben aus. Aber politisch bricht die düsterste Zeit in Deutschland an.

1932

Zum ersten Mal erreichen die Königsblauen das Halbfinale in den Spielen um die Deutsche Meisterschaft. In der Vorrunde bereitet überraschend der SuBC Plauen den Schalkern die größten Probleme. Mit 5:4 n.V. retten sich die Blauen mit Ach und Krach in die nächste Runde. In der Vorschlussrunde ist jedoch am 29.05. Eintracht Frankfurter in Dresden Endstation (1:2). Im Finale schlägt Bayern München die Eintracht. Trotz des rein süddeutschen Endspiels zählen die Westvereine (Schalke, Benrath und Düsseldorf) zu den stärksten Teams in Deutschlands.

In den Gruppenspielen um die Westdeutsche Meisterschaft werden die Schalker mit 32:4 Punkten und 71:13 Toren wieder Meister. In zwei Freundschaftsspielen werden die Frankfurter Eintracht am 08.08. mit 2:0 und der Deutsche Meister Bayern München am 30.10. mit 3:2 geschlagen.

1933

Schalke wird mit 31:5 Punkten und 69:20 Toren erneut Westdeutscher Meister. Nach der Machtergreifung der Nazis muss der Westdeutsche Spielverband seine Organisationsform aufgeben. Deutschland wird in 16 Gaue eingeteilt. In jedem Gau ist die Gauliga mit zehn Vereinen die oberste Spielklasse. Schalke wurde somit der letzte Westdeutsche Meister alten Stils.

Erstmals erreichen die Schalker das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft. Am 11.06. ist Fortuna Düsseldorf der Gegner in Köln. In den Gruppenspielen hatten die Schalker die Fortuna noch mit 1:0 geschlagen. Vor dem Finale beziehen die Schalker erstmals ein Trainingslager. Im Endspiel sind sie trotzdem chancenlos. Die überlegene Fortuna gewinnt mit 3:0. Viele behaupten später, die Spieler hätten im Trainingslager am Halterner Stausee den ganzen Tag in der Sonne gelegen und sich überhaupt nicht um den Fußball gekümmert.

Der frühere Nürnberger Bumbas Schmidt kommt als Trainer an den Schalker Markt. Als Aktiver hatte Schmidt 16 Länderspiele absolviert und war mit dem Club mehrmals Deutscher Meister geworden. Kurt Otto, bis 1933 Schalker Trainer, wird polnischer Nationaltrainer.

1934

Am 04.03. gewinnen die Schalker die erstmals ausgespielte Gaumeisterschaft. In diesem Jahr wird der Grundstein für eine beispiellose Siegesserie gelegt. Bis zur Saison 43/44 werden alle Gaumeisterschaften. gewonnen. In keiner Saison werden mehr als acht Punkte abgegeben. In den Gruppenspielen um die Deutsche Meisterschaft qualifizieren sich die Schalker in dieser Zeit siebenmal als Gruppenerster für die Endrundenspiele, zweimal reicht es „nur“ zum zweiten Platz, der ebenfalls zur Teilnahme an der Meisterschaftsendrunde berechtigt.

Zurück ins Jahr 1934. In den Gruppenspielen kommen die Königsblauen nur mit Mühe weiter. Gegen Werder Bremen, den VfL Benrath und TV Eimsbüttel leisten sich die Schalker zwei Niederlagen (0:1 zu Hause gegen Benrath und 2:3 in Eimsbüttel). Trotzdem reicht es zum Gruppensieg. Im Halbfinale wird Waldhof Mannheim mit 5:2 besiegt.

Am 24.06. ist es soweit. Im Berliner Poststadion wird der Club aus Nürnberg mit 2:1 geschlagen. Fritz Szepan in der 88. Minute und Ernst Kuzorra, Sekunden vor dem Abpfiff, sorgen für den ersten Meistertitel. Den legendären Siegtreffer erzielt Kuzorra trotz eines Leistenbruchs. Er muss durchspielen, da das Auswechseln noch nicht erlaubt ist. Die Victoria steht in Gelsenkirchen bei Mutter Thiemeyer in der Vereinskneipe am Schalker Markt.

Am 16.12. findet im Duisburger Wedaustadion ein Repräsentativspiel Niederrhein gegen Westfalen statt. Die Westfalenauswahl besteht aus zehn Schalkern. Für Fritz Szepan spielt der Höntroper Jupp Timpert. Niederrhein gewinnt jedoch mit 4:0. Lag‘s am Fehlen von Fritz Szepan?

1935

Bei den Spielen um die Westfalenmeisterschaft haben die Knappen erstmals Probleme. Mit zwei Punkten Vorsprung (28:8 Punkte) wird der Titel trotzdem noch gewonnen. Im Sturm steht mittlerweile Ernst Poertgen, der von Altenessen über Nürnberg nach Schalke kam. Ein Grund für die schwachen Leistungen in den ersten Spielen ist auch das Fehlen von Fritz Szepan, der nach einem Meniskusriss im Nationalmannschafts-Testspiel gegen Brandenburg für etliche Wochen ausfällt.

In den Spielen um die Meisterschaft (wieder mit Fritz Szepan) setzen sich die Schalker deutlich gegen Eimsbüttel, Hannover 96 und den SC Stettin durch. Fünf Siege, lediglich in Eimsbüttel gibt es mit 1:2 wieder eine Niederlage. Nach dem Halbfinalsieg gegen Polizei Chemnitz (3:2) ist der VfB Stuttgart im Finale vor 74.000 Zuschauern in Köln der Gegner. Bis zur Halbzeit schießen Urban, Poertgen und Gellesch ohne große Probleme eine 3:0-Führung heraus. Als Ernst Poertgen nach der Pause auf 4:0 erhöht, lassen es die Schalker locker angehen. Zwei Tore von Stuttgarts Mittelstürmer Bökle sind die Folge. Kalwitzki und Poertgen sichern mit ihren Treffern jedoch den zweiten Meistertitel. Endstand: 6:4. Beim Revanchespiel am 25.08. in Stuttgart fegen die Knappen den VfB mit 9:2 vom Platz.

Am 08.12. erreichen die Schalker zum ersten Mal das Pokalfinale, scheitern jedoch am Club aus Nürnberg in Düsseldorf mit 0:2.

Im Dezember findet in der Glückauf-Kampfbahn wieder ein Repräsentativspiel Niederrhein gegen Westfalen statt. Aus dem Fehler des Vorjahres hat man gelernt. Diesmal spielt die komplette Schalker Meisterformation für Westfalen. Vor 30.000 Zuschauern gewinnt Westfalen bzw. Schalke mit 4:2. Ala Urban trifft zweimal, dazu kommen noch die Treffer von Ernst Poertgen und Fritz Szepan. In der Nationalmannschaft stehen neben Szepan mittlerweile auch Ernst Poertgen, Rudi Gellesch und Ala Urban.

1936

35:1 Punkte und 94:11 Tore haben die Schalker nach Abschluss der Saison 35/36. Lediglich bei Hüsten 09 reicht es nur zu einem 2:2. Die Gruppenspiele um die Meisterschaft werden mit 10:2 Punkten beendet. Jeweils zwei Siege gegen den Berliner SV 92 und Hindenburg Allenstein sowie ein Sieg und eine Niederlage gegen Polizei Chemnitz reichen zum Einzug ins Halbfinale. Dort ist jedoch der Club aus Nürnberg Endstation. Mit 0:2 verlieren die Schalker in Stuttgart. Der Traum vom Meisterschafts-Hattrick ist geplatzt. Am 20.06. wird Vorwärts Rasensport Gleiwitz im Spiel um den dritten Platz mit 8:1 geschlagen.

In Berlin finden die Olympischen Spiele statt. Ala Urban und Rudi Gellesch nehmen daran teil, Fritz Szepan und Ernst Kuzorra dürfen als Profis nicht teilnehmen. Nach dem 9:0 gegen Luxemburg ist bereits in der zweiten Runde Norwegen (0:2) Endstation. Reichstrainer Nerz wird durch Sepp Herberger abgelöst. Ernst Kuzorra kehrt in diesem Jahr wieder ins Nationalteam zurück. Mit Ötte Tibulsky debütiert ein weiterer Schalker in der Nationalmannschaft. Von Gelsenkirchen 12 kommt Hans Klodt, der Hermann Mellage im Schalker Tor ablöst.

Nach neun Jahren Zweitklassigkeit steigt Borussia Dortmund in die Gauliga auf. Am 20.12. kommt es in der Glückauf-Kampfbahn zum ersten „Revierderby“ seit 1927. Durch Tore von Berg, Kalwitzki und zweimal Poertgen siegen die Königsblauen mit 4:1.

1937

In Deutschland haben die Menschen unter der braunen Diktatur nichts mehr zu lachen. Schalke dagegen ist auf dem absoluten fußballerischen Höhepunkt. Am 18.05. wird Brentford London in der Glückauf-Kampfbahn durch Tore von Urban (3), Berg (2) und Kuzorra mit 6:2 deklassiert. Die englischen Profis hatten auf ihrer Rundreise durch Deutschland zuvor den HSV mit 3:0 und Hertha BSC mit 4:0 geschlagen.

In der Gauliga sichern sich die Schalker erneut mit 35:1 Punkten und 103:14 Toren überlegen den Titel. In den Spielen um die Gaumeisterschaft werden der SV Rotthausen mit 10:0, Erle 08 mit 12:1 und Lüdenscheid 08 mit 17:0 besiegt. Borussia Dortmund wird am 07.03. in Dortmund mit 7:0 vom Platz gefegt.Mit 11:1 Punkten und 31:5 Toren setzen sich die Königsblauen in den folgenden Gruppenspielen gegen Werder Bremen, Hertha BSC und Viktoria Stolp durch.

Nach dem 4:2-Halbfinalsieg gegen den VfB Stuttgart ist am 20.06. erneut der Club aus Nürnberg der Finalgegner. Mittlerweile finden alle Endspiele in Berlin statt. Vor 100.000 Zuschauern siegen die Schalker durch Treffer von Poertgen und Kalwitzki mit 2:0.

1938

Das Pokalendspiel 1937 findet erst am 09.01.1938 in Köln statt. Gegner ist Fortuna Düsseldorf. Durch Tore von Kalwitzki und Szepan gehen die Schalker mit 2:0 in Führung. Nachdem Bornemann einen Ball mit der Hand von der Torlinie schlägt, erzielt Düsseldorfs Verteidiger Paul Janes in der 82. Minute den Anschlusstreffer. Der knappe Vorsprung wird bis zum Schluss verteidigt.

In der Gauliga reicht es diesmal „nur“ zu 34:2 Punkten. In den Gruppenspielen um die Meisterschaft sind der Berliner SV 92, Dessau 05 und der VfR Mannheim die Gegner. Dessau wird mit 6:0 und 6:1 geschlagen und gegen Berlin erreichen die Schalker ein 1:1 und ein 3:0. Der dicke Brocken sind jedoch die Mannheimer. Nach einem 2:2 in Mannheim verlieren die Schalker in der Glückauf-Kampfbahn mit 1:2.

Das Erreichen des Halbfinales ist damit fast unmöglich geworden. Wenn nicht Dessau im letzten Spiel für die große Sensation gesorgt und den Mannheimern ein Unentschieden abgetrotzt hätte. Aufgrund des besseren Torverhältnisses erreichen die Königsblauen die Vorschlussrunde gegen Fortuna Düsseldorf. Dort nutzt Kalwitzki bereits in der 8. Minute einen Fehler in der Düsseldorfer Abwehr zum 1:0. Es bleibt bis zum Abpfiff bei diesem Ergebnis.

3:3 endet das Endspiel am 26.06. in Berlin. Bis kurz vor Schluss führen die Schalker mit 3:1. Ein Eigentor von Gellesch sorgt für das 3:2, Sekunden vor Schluss erzielt der Hannoveraner Malecki den Ausgleich aus klarer Abseitsseitsstellung. Schiedsrichter Peters ist der Buhmann der Schalker. Von Schiebung ist die Rede.

Acht Tage später pfeift der Regensburger Schiedsrichter Grabler das Wiederholungsspiel. Er übertrifft Peters um Längen. In der 1. Minute wird ein Tor von Kalwitzki aus unerfindlichen Gründen nicht anerkannt. Drei Minuten vor Schluss führt Schalke noch mit 3:2, das zweite Hannoveraner Tor ist ein unberechtigter Handelfmeter. Der Hannoveraner Petzold rettet kurz vor Schluss mit der Hand im Torraum – Grabler pfeift nicht. In der 87. Minute gleicht Hannover aus, in der Verlängerung erzielen die Niedersachsen den Siegtreffer. Die Zuschauer toben. Für jeden ist deutlich, dass das Spiel verschoben wurde. Zunächst kann niemand das Verhalten des Schiedsrichters erklären.

Abends beim Meisterschaftsbankett lässt Reichssportführer von Tschammer und Osten die Katze aus dem Sack: „Es musste mal eine andere Mannschaft als Schalke Deutscher Meister werden, sonst wäre es langweilig geworden. Die anderen haben ja schon richtig Angst ins Endspiel zu gehen, weil sie ja doch von Schalke geschlagen werden.“

Trainer Bumbas Schmidt verlässt Schalke mit den Worten: „Mehr kann ich euch nicht beibringen.“ Obwohl die Schalker Schmidt unbedingt halten wollen, verlässt Schmidt den Schalker Markt. Otto Faist, früherer süddeutscher Meister im 800-Meter-Lauf, wird sein Nachfolger. Ernst Poertgen verabschiedet sich ebenfalls. Der frühere Altenessener verlässt Gelsenkirchen aus privaten Gründen und zieht ins Siebengebirge. Als neuer Mittelstürmer kommt der erst 18jährige Hermann Eppenhoff aus Röhlinghausen nach Schalke. Hans Klodt und Walter Berg werden von Sepp Herberger in die Nationalmannschaft berufen. Gegen Ungarn absolviert Ernst Kuzorra sein letztes Länderspiel.

In Deutschland hat sich in den fünf Jahren Naziherrschaft einiges verändert. Hitlers Politik zielt deutlich auf Kriegsvorbereitung. Auch die meisten Schalker werden als Soldaten eingezogen, haben aber zunächst noch den Vorteil, dass sie für Spiele und Training freigestellt werden. Eine Vergünstigung, die schnell verschwinden sollte.