Die großen Schalker Jahre, immer noch. Zwischen 1939 und 1944 holten die Knappen drei Meistertitel, gewannen astronomisch hoch gegen den BVB. Doch das Wort „Schützenfest“ bekommt eine bittere Bedeutung. Am Ende gewinnt nur noch einer – der Krieg.
1939
Nach der Gaumeisterschaft setzen sich die Knappen in den Gruppenspielen zur Deutschen Meisterschaft gegen Wormatia Worms, Vorwärts Rasensport Gleiwitz und den Kasseler SC mit 10:2 Punkten überlegen durch. Am 12. März kommt es im Dortmunder Stadion Rote Erde vor 28.000 Zuschauern mal wieder zu einem Schützenfest. Bereits nach 15 Minuten führen die Schalker durch Tore von Urban, Hinz und Kuzorra mit 3:0. Danach reißt der Faden. Mit 2:3 geht es in die Kabinen, direkt nach Wiederanpfiff fällt zum Schrecken der zahlreichen Schalker Fans der Ausgleich. Ala Urban besorgt jedoch kurz danach wieder die 4:3-Führung. Danach gibt es keine Dortmunder Gegenwehr mehr. Dem 5:3 durch Fritz Szepan folgt Ernst Kuzorras verwandelter Elfmeter zum 6:3. Hinz sorgt mit seinem 7:3 für den Endstand.
In der Vorschlussrunde ist der Dresdener SC der Gegner. Mittelstürmer der Dresdener ist Helmut Schön. 3:3 steht es nach Verlängerung im Berliner Olympiastadion. Im Wiederholungsspiel gewinnt Schalke dank eines überragenden Hermann Eppenhoff mit 2:0. Im Endspiel am 18.06. ist Admira Wien der Gegner. Es wird das unglaublichste Endspiel des deutschen Fußballs. Bereits in der ersten Minute trifft Hermann Eppenhoff die Latte. Danach geht es Schlag auf Schlag:
1:0 Kalwitzki, 2:0 Urban, 3:0 Kalwitzki, 4:0 Kalwitzki, Halbzeit, 5:0 Tibulsky, 6:0 Kalwitzki, 7:0 Kalwitzki, 8:0 Szepan, 9:0 Kuzorra. Am Ende stehen nur noch acht Wiener auf dem Platz. Zuerst wird Klacl nach einem Kinnhaken gegen Fritz Szepan des Feldes verwiesen. Danach verletzen sich Vogl und Mirschitzka. Auswechseln gab´s damals bekanntlich noch nicht. Selbst ein Elfmetergeschenk des Dresdener Schiris Schulz kann der Wiener Schilling nicht zum Ehrentreffer nutzen. Wiens Klacl wird für seinen Kinnhaken lebenslänglich gesperrt, später aber wieder begnadigt.
Am 10.12. kommt es zum Meisterschaftsspiel gegen Borussia Dortmund. Die Hoffnung des BVB auf ein achtbares Ergebnis schwindet schnell. Bereits zur Pause steht es 5:0, am Ende haben Kalwitzki und Szepan je dreimal, Barufka zweimal und Schrader einmal getroffen – 9:0.
1940
Im Frühjahr werden die Gruppen für die Spiele zur Deutschen Meisterschaft – Schalke war mit 32:4 Punkten wieder Gaumeister geworden – erstmals nach regionalen Gesichtspunkten zusammengestellt. Schalke muss mit den übrigen Meistern des Westens, Fortuna Düsseldorf, Mülheimer SV und Kassel 03 in einer Gruppe spielen. Der Mülheimer SV wird mit 5:0 und 8:2 besiegt, gegen Kassel behalten die Schalker mit 5:2 und 16:0 die Oberhand.
Gegen die Düsseldorfer Fortuna spielen die Knappen zweimal Unentschieden, 0:0 und 1:1. Da die Mülheimer die Düsseldorfer mit 2:1 besiegen, erreichen die Schalker als Gruppensieger die nächste Runde. Nach dem 3:1-Halbfinalsieg gegen Waldhof Mannheim kommt es am 21.07. im Berliner Olympiastadion zum Endspiel gegen den Dresdener SC. Nach der frühen Schalker Führung durch Kalwitzki plätschert das Spiel vor sich hin. Von den Dresdener gibt es so gut wie keine ernsthaften Bemühungen, den Ausgleich zu erzielen. Nach 90 Minuten steht es immer noch 1:0 – Schalke ist zum fünften Mal Deutscher Meister.
Am 20.10. steht wieder das Derby gegen Borussia Dortmund auf dem Spielplan. Schon nach zwei Minuten eröffnet Ernst Kuzorra in der Glückauf-Kampfbahn den Torreigen, zur Halbzeit steht es bereits 5:0. Am Ende haben Ernst Kuzorra viermal und Ernst Kalwitzki zweimal getroffen. Schuh, Eppenhoff, Füller, Szepan und treffen je einmal – 10:0 der bisher höchste Sieg im Revierderby.
1941
Mit dem 5:1 gegen den VfL Bochum am 30.03. sorgen die Schalker für einen neuen Rekord in den Spielen um die Gaumeisterschaft. 43:1 Punkte stehen am Ende auf dem blau-weißen Konto. Nur Westfalia Herne hatte es geschafft, den Knappen beim 1:1 einen Punkt abzuknöpfen. In den Gruppenspielen setzen sich die Schalker gegen Hannover 96, Borussia Fulda und den Hamburger SV durch. Nach einem 4:1 im Halbfinale gegen den VfL Köln geht es im Finale gegen Rapid Wien. Das Endspiel findet am 22.06. vor 95.000 Zuschauern in Berlin statt – am gleichen Tag überfällt die deutsche Armee die Sowjetunion. Durch zwei Treffer von Hinz führen die Schalker zur Pause bereits mit 2:0. Kurz nach Wiederanpfiff erhöht Hermann Eppenhoff auf 3:0. Dreimal hintereinander Deutscher Meister zu werden – das war zuvor noch keinem Verein gelungen. Und es sollte den Schalkern auch nicht gelingen.
Denn es wird der große Tag von Rapids Mittelstürmer Bimbo Binder. Und von Schiedsrichter Reinhardt aus Stuttgart. Der verhängt zwei Elfmeter und zwei Freistöße gegen die Schalker, die zum Teil angezweifelt werden durften. Kurz vor Schluss erzielt Binder das 4:3 für Wien. Beim anschließenden Bankett weigert sich Ernst Kuzorra, die Ehrennadeln für den Vizemeister anzunehmen. Fast alle waren sich einig: Schalke sollte nicht schon wieder Meister werden.
Im Pokal erreichen die Schalker nach vier Jahren wieder das Finale in Berlin. Die frühe Dresdener Führung durch Kugler gleicht Ernst Kuzorra in der 51. Minute aus, doch im Gegenzug fällt durch Carstens die erneute Dresdener Führung. Bei diesem 2:1 bleibt es bis zum Abpfiff.
1942
Von einem normalen Spielbetrieb kann kaum noch die Rede sein. Die Spieler werden immer seltener freigestellt, auch die siebzehn- und achtzehnjährigen Nachwuchsspieler müssen in den Krieg ziehen. Nur die Vereine mit einem großen Spielerkader können ihr spielerisches Niveau halten. In den Spielen um die Gaumeisterschaft hat Schalke nichts zu befürchten. Die Gegner werden teilweise zweistellig nach Hause geschickt (z.B. 12:0 gegen SpVgg Herten und 11:1 gegen Arminia Bielefeld). Erstmals werden die Spiele um die Deutsche Meisterschaft nach dem K.o.-System ausgespielt. Nach dem 2:0-Sieg gegen Stade Düdelingen ist im Achtelfinale der 1.FC Kaiserslautern der Gegner. In den Reihen der Lauterer steht an diesem Tag ein junger Mittelstürmer, dessen Name später weltbekannt werden sollte: Fritz Walter. Doch an diesem Tag ist ein guter Mittelstürmer zu wenig. Mit 9:3 werden die Kaiserslauterner besiegt.
Im Viertelfinale wird Straßburg mit 6:0 geschlagen. Mit dem gleichem Ergebnis wird im Halbfinale Kickers Offenbach nach Hause geschickt. Am 05.07. steht Schalke wieder im Finale. Und wieder kommt der Gegner aus dem angeschlossenen Österreich – Vienna Wien. Die Schalker schaffen es, für dieses Spiel noch einmal alle Spieler zusammen zu bekommen, nur Gellesch fehlt. Ernst Kalwitzki und Fritz Szepan schießen den 2:0-Endstand heraus – damit wird Schalke zum sechstenmal Deutscher Meister und egalisiert damit den Rekord des Nürnberger Clubs. Auch das Pokalfinale wird wieder erreicht. Doch aus dem Double wird nichts. 1860 München siegt durch zwei Treffer durch Willimowski und Schmidhuber kurz vor Schluss mit 2:0.
1943
In den Spielen um die Deutsche Meisterschaft starten die Schalker mit zwei Siegen gegen SV Kassel (8:1) und Wilhelmshaven (4:1). In der Zwischenrunde scheitern die Knappen mit 1:4 gegen Holstein Kiel. Im Mai stirbt Ala Urban im Krieg, er liegt auf dem Soldatenfriedhof in Ilmensee begraben. Walter Berg und Natz Füller werden ebenfalls Opfer des Krieges.
1944
Die Zeit der großen Traditionsmannschaften ist vorbei. Die Garnisonsmannschaften mit den stärksten Gastspielern geben mittlerweile den Ton an. Trotzdem dominieren die Schalker noch immer die Spiele um die Gaumeisterschaft. Mit 31:3 Punkten erringen die Schalker Ende März noch einmal den Titel des Gaumeisters. Ernst Kuzorra ist inzwischen 38 Jahre, Fritz Szepan 36 Jahre alt. In der ersten Runde in den Spielen um die Deutsche Meisterschaft wird die KSG Köln mit 5:0 besiegt, in der nächsten Runde ist die KSG Duisburg jedoch Endstation. Mit 1:2 verlieren die Schalker Ende Mai in der Duisburger Wedau.
Trotz der zunehmenden Bombardierung will der Westdeutsche Spielverband im Herbst noch eine Meisterschaftsrunde starten. Das erste Spiel in Witten ist auch das letzte. Beim Stand von 6:2 für die Königsblauen erscheinen die Jagdbomber. Das nächste Spiel gegen Westfalia Herne findet nicht mehr statt.
Am 4. November stirbt Papa Unkel, der über zwei Jahrzehnte der ruhende Pol des blau-weißen Schiffes war. In Gelsenkirchen wird die Glückauf-Kampfbahn zerstört, das Spielfeld ist ein einziges Bombentrichterfeld, der Schalker Markt ein Haufen Trümmer. In Mutter Thiemeyers Gaststätte werden sämtliche Pokale seit 1924 vernichtet. Der Krieg zerstörte alles, nahm auf nichts und niemanden Rücksicht. Auch nicht auf Ausnahmefußballer.