Am Anfang war die Party

Ein Grillfest an einem heißen Juninachmittag, es war der 6.6.1971, im Offenbacher Vorort Hausen, Rosenstraße 19: Horst Gregor Canellas feiert seinen 50. Geburtstag. Einen Tag zuvor war sein Verein nach einer unglücklichen 2:4-Auswärtsniederlage gegen den 1. FC Köln am letzten Spieltag aus der Bundesliga abgestiegen. Eigentlich sollte man annehmen, dass Canellas an diesem Sonntag nicht zum Feiern zumute war. Doch der temperamentvolle Präsident hielt einige Trumpfkarten in der Hand, die ihn im berechtigten Glauben ließen, dass seine Kickers im nächsten Jahr nicht zum bitteren Marsch in die Regionalliga Süd antreten müssen.

Canellas‘ Frau Maria, von ihrem Mann liebevoll „Hasi“ genannt, hatte ein üppiges Büffet angerichtet, es wurden Zigaretten, Champagner und Bier gereicht. Attika und Lord Extra, wo man hinsah, lange Koteletten und kurze Miniröcke, dazu James Last und Max Greger. Vor den Toren des eleganten Bungalows parkten lange Reihen von BMW, RO 80 und Mercedes 250 SE. Zu den geladenen Gästen zählten neben Freunden und Geschäftspartnern auch eine große Zahl von Medienvertretern, Bundestrainer Helmut Schön und DFB-Ligasekretär Wilfried Straub. Presse und DFB-Offizielle waren mit dem Hinweis eingeladen worden, dass einige „interessante Neuigkeiten“ zu erwarten seien.

Das öffentliche Auftritte liebende Geburtstagskind nahm mit einem Lächeln auf den Lippen Platz inmitten seiner Gästeschar. Er hatte auf Tonband aufgezeichnete Beweise, dass es zum Ende der Saison 70/71 zu Schiebungen und korrupten Abmachungen unter Bundesligavereinen gekommen war, deren Opfer gegen Ende die Offenbacher Kickers waren. Tonmeister Hinz baute auf einem Gartentisch das Gerät mit dem ominösen Tonband auf. Als dann der Gastgeber die Haubitze hervorholte und die Bänder mit dem explosiven Inhalt abspielte, verschluckten sich viele am Bier oder Champagner. Ans Büffet wagte sich niemand mehr heran. Helmut Schön, der eigentlich nur gekommen war, um Canellas sein Beileid für den unglücklichen Abstieg auszusprechen, kauerte ängstlich wie ein Kaninchen vor der Schlange am Rande des Gartens. Der deutsche Fußball hatte soeben seine Unschuld verloren.

„Schiebung, Schiebung“

In dem auf Tonband aufgezeichneten Beweismaterial verhandelten drei bekannte Bundesligaspieler offen über den Verkauf von Spielen. Im Klartext: Im Abstiegskampf war nach Strich und Faden geschoben worden, kofferweise wurden die Banknoten durch Deutschland gefahren, bündelweise wurde der Judaslohn in die Socken gestopft. Korrupte Spieler? Verschobene Matches? Schwarze Handgelder? Das alles durfte nicht wahr sein. So kurz vor der WM im eigenen Lande konnte der deutsche Fußball keinen Skandal gebrauchen.