Coronavirus: ruhig bleiben, rechnen!

„Mehrere RBL-Fans mit Coronavirus bei Champions-League-Spiel“, titelt der MDR. Das ist sicher richtig – aber eigentlich keine Meldung wert. Zumindest dann nicht, wenn man rechnen kann.

Vier Personen sollen es mindestens laut dem Bericht des Mathematisch-Defizitären Rundfunks gewesen sein. „Mittlerweile ist sicher: Im Heimpublikum bejubelten – zu diesem Zeitpunkt noch ohne ihr Wissen – mehrere mit dem Coronavirus infizierte RBL-Fans den 3:0-Rückspielsieg über Tottenham Hotspur.“ Wir haben dann mal kurz nachgerechnet.

Leipzig meldete gleichzeitig (Stand 26. März) 71 identifizierte Corona-Fälle. Gleichzeitig hat die Stadt (Stand 2020) 601.688 Einwohner. Das Stadion war ausverkauft; damit waren 42.959 Plätze besetzt. Lassen wir mal die Unschärfe beiseite, wie hoch die Infektionsrate unter den Gästefans ist – tatsächlich liegt sie im Vereinigten Königreich noch höher als in Leipzig: Mit simplem Dreisatz landet man damit sogar bei 5 Menschen, die rein statistisch infiziert und im Stadion gewesen sein dürften.

Beschränken wir das nicht auf Leipzig, nehmen wir noch das Umfeld mit ins Blickfeld: Sachsen beziffert die Zahl der Infektionsfälle auf 1505, Einwohnerzahl 2020: 4.077.937. Da landen wir sogar bei 15 Menschen, die das Stadion in Begleitung ihres Coronavirus besucht haben.

RegionAnteil nachgewiesen infizierter Personen (‰)
Leipzig 0,12
Sachsen0,37
UK0,18

Und es dürften tatsächlich mehr sein: Die Dunkelziffer bei den Infektionszahlen ist sehr hoch. Außerdem hängen die Ämter bei den Meldungen hinterher – bis zu fünf Tage später erst bekommt das Robert-Koch-Institut die Zahlen, teilweise noch irgendwann per Fax.

Der MDR schließt: “Die bittere Erkenntnis dieses sportlich so freudigen Abends: Mit großer Sicherheit dürften sich noch mehr Menschen an diesem Abend in der Red-Bull-Arena angesteckt haben.” Sicher?

Es bleiben nämlich reichlich Fragen offen: Selbst wenn sich Menschen infiziert haben – war es dort? Hat jemand, der auch das Spiel besucht hat, neben einem Überträger gestanden – oder doch mit irgendwelchen anderen der 43.000 Anwesenden zusammen oder doch in einem ganz anderen Block?

Und dann sind da wieder diese Zahlen und wissenschaftlichen Fakten: Eine Zufallsbegegnung reicht nicht. Man muss schon 15 Minuten Kontakt – also ein Abstand von weniger als zwei Metern – mit einem Infizierten gehabt haben, um sich mit einer Wahrscheinlichkeit von fünf bis zehn Prozent zu infizieren. Wobei im Stadion meist alle eher in eine Richtung gucken, zum Feld, und weniger die Nachbarn zwei Plätze weiter 15 Minuten lang volltexten. Sagen wir es mal so, lieber MDR: Nicht „mit großer Sicherheit“, sondern „mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit“ haben sich beim Spiel „noch mehr Menschen“ angesteckt.

Das heißt übrigens nicht, dass es besonders pfiffig gewesen wäre, das Spiel stattfinden zu lassen. Exponentielles Wachstum bremst man nur durch Kontaktbeschränkungen. Doch dann bitte aus den richtigen Gründen – aber das ist jetzt schon höhere Mathematik.

9 Kommentare zu „Coronavirus: ruhig bleiben, rechnen!“

  1. Mit Verlaub, aber das ist so ziemlich der unterirdischste (und gleichzeitig unverantwortlichste) Artikel, den ich je von Schalke Unser gelesen habe, mit unzähligen Denk- oder Interpretationsfehlern.

    Coronavirus: achtsam sein, nachdenken!

    1. Hi,
      danke für Deine Rückmeldung! Um darauf aber substantiell eingehen zu können, müssten wir wissen, welche Denk- und Interpretationsfehler du hier siehst. Danke!

    1. Nein – von dem Berliner Virologen Prof. Christian Drosten. Zu hören im wirklich guten NDR-Podcast, zitiert auch vom SWR in dem Link in dem Artikel.

      1. Du schreibst:
        „Man muss(!) schon 15 Minuten Kontakt…… gehabt haben“
        Das ist falsch und steht auch so nicht in der zitierten Quelle.
        Die Quelle redet von Wahrscheinlichkeit, nicht von Mindestanforderung.

        1. Hallo Günther,

          darum steht ja auch im Text “um sich mit einer WAHRSCHEINLICHKEIT von fünf bis zehn Prozent”. Die Wahrscheinlichkeit ist genau als solche gekennzeichnet. Bei einer kürzeren Exposition sinkt sie, angesichts der erforderlichen Virenlast, die für eine Ansteckung übertragen werden muss, weiter herunter. Von “Mindestanforderung” steht dort nichts.

          1. „Eine Zufallsbegegnung reicht nicht.
            Man muss….“
            Das ist und bleibt falsch formuliert, selbst wenn es anders gemeint sein mag.
            Eine Zufallsbegegnung kann sehr wohl reichen.
            Zudem sind die Zahlen, so geben es jedenfalls die Virologen selbst an, vage und nicht belastbar.
            Es spielen so viele Umgebungsvariablen eine Rolle, und es fehlen Studien über einen längeren Zeitraum.

  2. Danke, Mit etwas Abstand, haben meines Wissens die Uni Leipzig u. das Stadtkrankenhaus keine weiteren, durch das Spiel entstandenen Infektionen stattgefunden. Das Gesundheitsamt Leipzig dürfte also völlig richtig entschieden haben.

Schreibe einen Kommentar zu Günther Kommentieren abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert