IT? Können wir. Dann lasst uns mal eine Online-Jahreshauptversammlung machen. SCHALKE UNSER hat schon mal den passenden Ticker dazu vorbereitet.
11.04 Uhr: Clemens Tönnies eröffnet die Online-JHV.
11.17 Uhr: Clemens Tönnies eröffnet die Online-JHV erneut, nachdem man ihn darauf hingewiesen hat, dass er vergessen hatte, sein Mikrofon einzuschalten.
11:18 Uhr: Clemens Tönnies stellt fest, dass satzungsgemäß zur Mitgliederversammlung am 7. Juni mit der Ausgabe des März-Kreisels eingeladen wurde. Er kommt kurz ins Stocken, denn jetzt ist ja bereits kurz vor Weihnachten.
11:19 Uhr: Dr. Buchta schiebt Clemens Tönnies das Geschenk rüber, das er beim traditionellen Aufsichtsrats-Schrott-Wichteln für “den Boss” besorgt hat. Der Vorsitzende packt es erwartungsvoll aus. Es ist ein neongelbgrünes Umbro-Trikot der Saison 2018/19 mit einer “Heidel-Beflockung”. Huub Stevens grinst.
11:22 Uhr: Clemens streicht den Punkt “Aussprache” von der Tagesordnung. “Wir haben eh immer alles daran gesetzt, dass die Aussprachen uns nicht die Wahlen versauen. Diesmal geht es eben technisch nicht.” Sein breites Grinsen dabei verbreitet sich in wenigen Minuten als Meme mit dem Text “That escalated quickly” durch das Internet.
11:26 Uhr: Tönnies erklärt die Abstimmungsmodalitäten. Mit Alt + CTRL + Y stimmt man mit “Ja” ab. Mit AltGr + Shift + N stimmt man mit “Nein” ab. Jedenfalls gilt das so bei Windows-Geräten. Abweichend davon werden nun iOS- und Android-Betriebssysteme erläutert. Es wird etwas kompliziert. Jochen Schneider kommt zur Hilfe und drückt “Escape”. Nicht erläutert wird jedoch auf Wunsch von Alex Jobst die Vorgehensweise bei Huawei-Geräten, nachdem der chinesische IT-Konzern nur noch Ex-Sponsor ist. Mit F2 kommt man ins Hauptmenü des La Ola Club-Buffets.
11:37 Uhr: Jetzt heißt es zuhause an den Bildschirmen: Probeabstimmung. Clemens Tönnies, der inzwischen darauf hingewiesen wurde, dass er nicht eigenhändig die Tagesordnung ändern kann, meint “na gut, dann stimmen wir eben ab” und stellt die Probefrage “Soll der Tagesordnungspunkt ‘Aussprache’ gestrichen werden?” mit den beiden Antwortoptionen “Ja” und “Nein”.
11:43 Uhr: Das Online-System wirft 12.443 Stimmen für die Streichung aus und 25.642 “Nein“-Stimmen. Tönnies: “Also, ich sehe, das ist eine klare Mehrheit dafür, den Tagesordnungspunkt zu streichen.” Er schaut kurz zu Dr. Buchta und Pfarrer Dohm. Beide nicken. Der Tagesordnungspunkt “Aussprache” ist damit von der Tagesordnung gestrichen. Im Hintergrund hört man diverse Steine von den Herzen des IT-Dienstleisters fallen, der auf eine Video-Schalte für die Aussprache unvorbereitet war.
11:45 Uhr: Mehrere Mitglieder protestieren. Sie wundern sich aber, dass die Mailadresse für ihren Protest “noreply@schalke04.de” lautet.
11:50 Uhr: Das System hat sich aufgehangen. Auf dem Monitor von Clemens Tönnies ist alles so eingefroren wie die Gebeine des Schweineviechs, wenn sie in Einzelteilen seinen Schlachthof verlassen. Jochen Schneider drückt wieder die “Escape”-Taste. Erst einmal, dann zweimal, dann feste und dann haut er richtig auf die Taste. Doch nichts tut sich.
11:54 Uhr: Alex Jobst drückt ALT + Strg + Entf. Herunterfahren und Neustart. Manchmal braucht es einfach etwas Mut.
11:57 Uhr: Stadionsprecher Dirk Oberschulte-Beckmann überbrückt die Situation und interviewt das Maskottchen Erwin mit belanglosen Fragen.
12:12 Uhr: Endlich ist das System wieder bereit. Die Mitglieder sollen nun mit einem “geilen” Werbevideo günstig gestimmt werden. Den wenigsten fällt auf, dass Youtube gemäß der Gesetzeslage gegen die Verbreitung von Falschmeldungen ein Banner eingeblendet hat: “Vorsicht – es besteht die Gefahr, dass es sich hierbei um ,alternative Fakten’ handelt.”
12:27 Uhr: An den Bildschirmen zuhause gibt es Verwirrung. Die Meldung “Sie befinden sich an Position 14.359 der Warteschlange” wird angezeigt. Ein IT-Mitarbeiter hatte versehentlich die Beta-Version der Ticket-Shop-Software freigeschaltet. Die Warteschlange wird nun sequentiell abgearbeitet.
12:35 Uhr: Alle Mitglieder, die sich noch soeben in der Warteschlange befunden haben, erhalten nun eine Mail mit der Bestätigung einer Ticketbestellung. Gegen die TSG Hoffenheim. Das Ticket kann nicht zurückgegeben werden, allerdings wird angeboten, auf die Rückzahlung zu verzichten und dafür ein Hoffenheim-Trikot mit der Beflockung von Sebastian Rudy zu erhalten. Weitere Optionen werden nicht angeboten. Das Covid-19-Pandemiegesetz lässt diese Möglichkeit ausdrücklich zu, darauf weist die Unternehmenssprecherin Anja Kleine-Wilde hin. Auf eine Härtefallregelung soll auf Gutscheinen und Vouchern in georgischer Sprache hingewiesen werden.
12:52 Uhr: Mitglieder bestürmen inzwischen die Schalke-Hotline 0180 / 6221904. Alex Jobst reibt sich die Hände: 0,20 Euro/Anruf aus dem Festnetz und max. 0,60 Euro/Anruf aus dem Mobilfunknetz. Und Schalker rufen – natürlich – lieber mobil an. Geil.
13:01 Uhr: Die Vorstellung des Finanzberichts verzögert sich, weil die Geschäftsstelle aufgrund der teuren Microsoft-Lizenzen von Excel auf Open Office umstellen musste. Die Programmierer waren nicht darauf eingestellt, mit so großen negativen Zahlen operieren zu müssen.
13:16 Uhr: Inzwischen haben so viele Fans an der Hotline angerufen, dass der FC Schalke 04 wieder Microsoft-Lizenzen erwerben kann. Diese werden nun installiert. Die Dateien werden von Open Office wieder zurück konvertiert.
13:31 Uhr: Peter Peters beginnt mit seinem Bericht als Finanzvorstand. Er macht für die katastrophale finanzielle Lage das Coronavirus verantwortlich. Dies allein sei schuldhaft dafür, dass man schon vor Februar TV-Einnahmen hat verpfänden müssen.
13:38 Uhr: Die Redeblätter aus dem Vorjahr haben sich versehentlich in seine diesjährige Rede verirrt. Peter Peters wiederholt daher seine Anti-Rassismus-Rede: “Da hätte ich vor Ekel kotzen können. Manches war ekelhaft, geschmacklos und widerlich!“ Er fordert von den Fans: „Steht auf, zeigt Flagge! Wir unterstützen euch dabei.“
13:42 Uhr: Kurzschluss. Alles dunkel. System komplett weg.
13.59 Uhr: Das Bild ist wieder da. Peter Peters sieht nun anders aus als zuvor. Sein rechtes Auge hat einen dunklen Schatten. Er verkündet, dass die Kosten für die Online-Jahreshauptversammlung die Höhe des Transfer-Etats der vergangenen drei Jahren überstiegen haben. Ein Shitstorm bleibt aus, weil die Chat-Funktion zusammenbricht.
14:07 Uhr: “Wer ist denn hier der Vorstand Kommunikation?”, ruft der Aufsichtsratsvorsitzende quer über die Bühne. Niemand meldet sich. Peter Peters und Jochen Schneider schauen Alex Jobst an. Der tut allerdings so, als sei er in ein Gespräch mit Prof. Gesenhues vertieft.
14:19 Uhr: Peter Peters stellt ein Finanzierungsmodell vor, das er für “äußerst lukrativ” hält und das “hervorragend in unser bisheriges Portfolio” passe. Es handele sich um das Angebot eines kenianischen Prinzen, mehrere Milliarden US-Dollar aus seiner Erbschaft zu überweisen, wenn man ihm nur eine Anschubfinanzierung von 10.000 Dollar gebe. Das klinge verlockend.
14.20 Uhr: Clemens Tönnies lehnt das Finanzierungsmodell allerdings ab: “Afrika? Ne, lass mal lieber. Habe ich keine guten Erfahrungen mit.”
14:21 Uhr: Peters zuckt die Achseln. Damit ist sein Auftritt beendet. Alles in allem war es gemessen an den letzten Jahren ein durchschnittlicher Auftritt. Applaus gibt es diesmal nicht.
14:25 Uhr: Es folgt der Bericht von Alex Jobst zum Ressort Marketing und Kommunikation.
14:26 Uhr: Mut. Mut sollen die Schalker haben, meinte Jobst noch auf der letzten Mitgliederversammlung vor echten Menschen.
14:27 Uhr: Alexander Jobst fordert diesmal nicht nur Mut: “Wir müssen diesen Mut nun auch endlich in die Realität überführen.” Ein Blick in die leeren Gesichter des Aufsichtsrats verrät, dass niemand versteht, was er eigentlich meint.
14:30 Uhr: Er meint doch wohl nicht China? Um Himmels Willen!
14:35 Uhr: Zum Glück meint er doch nicht China. Was er allerdings genau meint, wird nicht klar. Gerd Rehberg weiß es auch nicht. Vielleicht doch das Finanzmodell aus Kenia?
14:46 Uhr: Jochen Schneider beginnt mit dem Bericht zur sportlichen Situation.
14:47 Uhr: Mitglied Peter Wendt bittet um eine Wortmeldung. Clemens Tönnies drückt die Escape-Taste. Nichts passiert.
14.48 Uhr: Jochen Schneider endet mit seinem Bericht zur sportlichen Situation.
14:55 Uhr: Ohne Aussprache geht es direkt zur Entlastung des Vorstands. Clemens Tönnies fragt allerdings die Mitglieder zuhause an den Monitoren, ob man den Vorstand entlasten möchte: “Wer für die Entlastung ist, hebe bitte die grüne Karte.”
14:57 Uhr: Alle Aufsichtsräte heben eine grüne Karte. Pfarrer Dohm hebt zwei grüne Karten. Zuhause an den Bildschirmen suchen die Mitglieder schnell nach irgendetwas Grünem und halten es in die Höhe. Manche finden so schnell nichts.
14:59 Uhr: “Das ist bis auf wenige Enthaltungen einstimmig”, sagt Clemens Tönnies und kündigt sodann den Bericht des Aufsichtsrats an.
15:04 Uhr: Der Aufsichtsratsvorsitzende betont die schwierige finanzielle Lage unter der Corona-Pandemie. Das sei alles ein großer Mist. Und niemand, wirklich niemand hätte dies vorhersehen können. Die Basketball-Abteilung habe als erstes dran glauben müssen, schade – auch für Dr. Buchta. Und dann die Kurzarbeit für die eigenen Beschäftigten. “Das tut mir in der Seele weh. Aber es geht nicht anders.”
15:05 Uhr: “Und an diese ganzen Schlaumeier gerichtet, die da meinen, man hätte Rücklagen bilden sollen: Wie weltfremd sind die eigentlich? Ein Clemens Tönnies hat noch nie Rücklagen gebildet. Ein Clemens Tönnies geht immer nach vorne. Nachhaltigkeit, Nachhaltigkeit … wenn ich diesen ganzen grünen Quatsch schon höre. Mein Motto war immer: Wer bremst, verliert.”
15:06 Uhr: Alex Jobst ruft von hinten rein: “Mut. Wir brauchen mehr Mut.”
15:17 Uhr: So langsam redet er sich in Rage. “Und diese Hygienevorschriften der DFL, das ist auch so ein Blödsinn.” Peter Peters zuckt zusammen.
15:29 Uhr: “Aber, liebe Schalker, auch in dieser schweren Zeit ist es mir gelungen, eine Trophäe an den Schalker Markt zu holen. Besser gesagt dem von mir hoch geschätzten Ehrenrat. Wir haben den Pott in den Pott geholt, den Pannekopp 2020! Und, Leute, ich sag Euch, das Ding ist schwer: 28 Kilo.” Pfarrer Dohm klatscht als einziger Beifall.
15:42 Uhr: Es wird eine Zwischenfrage des Sprechers der Facebook-Gruppe “Schalker #proTönnies – CT ist kein Rassist” zugelassen: “Lieber Clemens, wir stehen zu Dir. Du hast dem Verein in jeder Not geholfen. Und wir sind uns sicher, dass Du auch in Zeiten von Corona immer direkt an unserer Seite stehen wirst. Wir danken Dir dafür.”
15:56 Uhr: Die Entlastung des Aufsichtsrats scheint nur noch Formsache zu sein.
15:59 Uhr: Ohne Aussprache geht es direkt zur Entlastung des Aufsichtsrats. Clemens Tönnies fragt die Mitglieder zuhause an den Monitoren: “Wer für meine Entlassung ist, hebe bitte die grüne Karte.”
16:01 Uhr: Alle Aufsichtsräte und Vorstände heben eine grüne Karte. Pfarrer Dohm hebt drei grüne Karten. Zuhause an den Bildschirmen suchen die Mitglieder schnell nach irgendetwas Grünem und halten es in die Höhe. Manche finden so schnell nichts.
16:09 Uhr: “Das ist einstimmig”, sagt Clemens Tönnies und kündigt sodann die Wahlen zum Aufsichtsrat an.
16:10 Uhr: Die Wahl wird wiederholt, nachdem Clemens auf seinen Fehler hingewiesen worden ist. Er bittet nun mit deutlich artikuliertem “T” um seine “Entlastung”. Das gleiche Ergebnis.
16:15 Uhr: Der Eilantrag einiger Mitglieder, auch Peter Zwegat als Kandidaten für den Aufsichtsrat zuzulassen, wird erwartungsgemäß abgeschmettert.
16:22 Uhr: Wahlen. Mehrere Mitglieder beschweren sich, dass sie ihren Kandidaten nicht wählen können, weil dieser schon “verbraucht” sei. Sie weisen darauf hin, dass dies auch immer mit ihren Geburtstagsgutscheinen so gewesen sei und darum nicht weiter ungewöhnlich.
16:34 Uhr: Die Aufsichtsratskandidaten haben jeweils vier Minuten Zeit sich vorzustellen.
16:38 Uhr: Der erste Kandidat ist durch. Leider hatte die Kamera einen Totalausfall. Man konnte den Kandidaten phasenweise hören, aber nicht sehen.
16:42 Uhr: Clemens Tönnies verkürzt die Redezeit der Kandidaten auf eine Minute.
16:43 Uhr: Ingolf Müller will auch ans Mikrophon, ist aber gar nicht als Kandidat vom Wahlausschuss zugelassen.
16:48 Uhr: Alle Kandidaten sind im Schnelldurchgang durch. Das muss reichen. Nun: Abstimmen!
16:54 Uhr: Weil Mitglied Heiner Paschulke eine Fehlermeldung bekam, hat er immer wieder auf STRG + R gehauen. Clemens Tönnies bekam damit mehr Stimmen, als Deutschland Einwohner hat – obwohl er gar nicht zur Wahl stand. Auf dem zweiten Platz landet der Kandidat “Error 404 timeout”. Er ist nun für drei Jahre in das Gremium gewählt.
16:56 Uhr: Tönnies freut sich über das eigene gute Ergebnis und verspricht daraufhin virtuelles Freibier. Leider vergisst er sein Mikro auszuschalten, als er zu Peters flüstern will: “Kost’ ja nix.”
16:57 Uhr: Der Ehrenrat kann an dem Ergebnis nichts Ungewöhnliches finden und erklärt die Wahlen als “satzungsgemäß verlaufen”: “Clemens wurde gewählt. Es ist also alles so, wie es sein sollte.” Der Versuch, den Videoschiedsrichter einzuschalten, scheitert.
17:27 Uhr: Alle Aufsichtsräte und Vorstände haben inzwischen Clemens Tönnies zur Wiederwahl gratuliert.
17:34 Uhr: Es beginnt nun die allgemeine Aussprache. Man testet, wie gut das System funktioniert. Gerne möchte man es auch im nächsten Jahr einsetzen, wenn es um die Frage der Ausgliederung geht.
17:47 Uhr: Jeder Versuch, eine Videoschalte zum Fanclub “Wir lassen die Sau raus” ins ostwestfälische Minden aufzubauen, ist gescheitert.
18:07 Uhr: Ein Mitglied dringt mit einer Frage durch: “Wann rettest du den Verein, Clemens?” Tönnies antwortet ausweichend, vergisst aber wieder, sein Mikrofon auf stumm zu schalten, als er sagt: “Ich bin doch nicht bescheuert! Ich habe meine Kohle doch nicht, weil ich sie in schlechte Geschäfte investiere.”
18:27 Uhr: Mitglied Peter Wendt fragt, warum die Ecken nicht immer ankommen.
18:35 Uhr: Alex Jobst, Vorstand Kommunikation, erläutert, dass man die Fragen der Mitglieder sammelt und die Antworten irgendwann – wenn sie niemanden mehr interessieren – irgendwo online stellt.
18:53 Uhr: Es klingelt an der Tür. Peter Peters läuft hin, öffnet diese, kommt zurück mit mehreren Obstkörben auf dem Arm und sagt: “Da kommen endlich die bei den lokalen Bauern bestellten Obstkörbe. Vitamine, Vitamine! Schalke hilft!”
18:54 Uhr: Clemens Tönnies ist wenig begeistert: “64 Jahre. Jeden Tag Fleisch“, grummelt er vor sich hin.
19:04 Uhr: Auf den Monitoren erscheint ein Bildschirmschoner. Darauf Charly Neumann mit dem Spruch “In schlechten Zeiten müsst ihr Schalker sein. In guten haben wir genug davon.”
19:09 Uhr: Das System verabschiedet sich endgültig mit einer Fehlermeldung: 404 Not Found.
Das traurige an der Geschichte, man kann es sich genau so wirklich vorstellen…