Willkommenstafel zur Schalker Mitgliederversammlung 2019

63 Jahre, jeden Tag Fleisch

(rk) Rückblick auf die Mitgliederversammlung vor einem Jahr: Christian Heidel wird hochgelobt für seine Transfers, Domenico Tedesco wird umjubelt für die errungene Vizemeisterschaft. Ein Jahr später ist nichts mehr wie es war. Und über allem schwebt eine seltsame Stimmung.

Statt Christian Heidel sitzt da nun Jochen Schneider, statt Domenico Tedesco sitzt da nun David Wagner. Ansonsten sitzen da im Aufsichtsrat immer noch dieselben Leute. Und niemand ist überrascht, als der Antrag für die Umstellung der Tagesordnung gestellt wird. Es sollen erst die Berichte kommen, dann die Aussprache und dann die Wahlen. Eigentlich völlig normal so, auf Schalke braucht es dafür aber immer wieder erst einen Antrag, der diesmal mit überwältigender Mehrheit angenommen wird. Man hat sich aber in Vorstand und Aufsichtsrat ganz offenbar gut darauf vorbereitet.

Peter Peters berichtet zu den Finanzen. Das letzte Jahr war super, das aktuelle wird schlecht, das nächste weiß man nicht. Der Finanzvorstand hat seine stärksten Szenen, wenn er nicht über Finanzen spricht, sondern dann, wenn er Rassismus und Antisemitismus ächtet. Das bringt ihm viel Beifall – zurecht! Da wusste er allerdings noch nicht …

Schalker Fan-Initiative und SCHALKE UNSER klatschen ebenfalls und werden auf das Engagement des Vereins sicher nochmal gerne zurückkommen, wenn es um gemeinsame antirassistische Projekte geht.

Cover SCHALKE UNSER 99
SCHALKE UNSER 99

Alex Jobst, sonst eine Bank bei der Präsentation der Vorstandsberichte, wirkt diesmal ohne rote Linie. Natürlich sehen alle, dass es für einen Marketing-Chef schwierig ist, die Werbeerlöse zu steigern, wenn man vom zweiten auf den 14. Tabellenplatz abrutscht. Das ist keine gute Story. Als Alex Jobst aber in einem Image-Film „mehr Mut“ fordert, fragt man sich, wer der Adressat sein soll. Wer soll mehr Mut haben? Mut wobei eigentlich? Und welche Maßnahme schlägt er denn sonst noch so vor, außer Mut zu zeigen? Das bleibt alles unklar – und so mancher malt schon wieder das Ausgliederungsgespenst an die Wand, was aber eventuell gar nicht gemeint ist.

Jochen Schneider, von Clemens Tönnies angekündigt als „Peter Schneider“, hat es dagegen im Vorstand wahrscheinlich noch am leichtesten, eine Story zu bringen. Klar, er muss oder kann sich auch noch nicht großartig messen lassen. Einige seiner Entscheidungen machen durchaus Sinn: Ein technischer Direktor für Kaderplanung und Scouting dürfte etwas sein, was man auf Schalke seit etwa zehn Jahren vermisst hat. Eigentlich traurig, dass da niemand zuvor darauf gekommen ist – auch nicht im Aufsichtsrat.

Apropos Aufsichtsrat: Der Vorsitzende Clemens Tönnies berichtet sodann aus eben diesem. Viel schlauer ist man dabei allerdings nicht geworden. Es tut ihm zwar leid, dass Domenico Tedesco aus seiner Sicht zu Unrecht entlassen worden ist und er will auch Verantwortung übernehmen. Wie das geschehen soll, bleibt aber unklar. Von Rücktritt – wie in der Politik üblich, wenn dort Verantwortung übernommen wird – ist jedenfalls keine Rede.

Danach die Aussprache der Mitglieder. 26 haben sich bereits am „Wortbeitragstisch“ gemeldet. Von diesen 26 Wortbeiträgen befassen sich etwa fünf mit den zuvor präsentierten Berichten aus Vorstand und Aufsichtsrat. Der Rest hat andere Themen wie Rauchen/Nicht-Rauchen in der Arena, Pfandsystem/Einwegsystem, DFL-Spieltagsplanung (erstes Heimspiel immer auswärts), alkoholfreies / alkoholhaltiges Bier auf der Mitgliederversammlung (diese Ansprache war kurz und knapp und zumindest ein Lacher) – oder es reden irgendwelche Leute, die sich gern selbst reden hören oder mal da oben ohne erkenntlichen Grund stehen möchten.

Ich würde mir hier gern eine konsequente Trennung wünschen: Alles, was sich konkret auf die Berichte bezieht, gehört in eine erste Aussprache (nach den Berichten, vor den Wahlen), alles andere bitte danach. Ansonsten bekommt diese Aussprache echt den Charakter einer Böklunder-Fan-Box, wenn es die den nicht sogar schon hat.

Nach der mauen Aussprache kommen dann die Vorstellungen der vier Aufsichtsratskandidaten (in diesem Jahr hatte der Wahlausschuss grad mal sieben Bewerber zu begutachten, was wohl Negativrekord bedeutet). Peter Lange mit unspektakulärer Rede, Ingolf Müller mit fehlendem roten Faden, Matthias Rüter mit klarer Vorstellung – und Clemens Tönnies, der nicht mehr viel sagen musste, außer – angesprochen auf sein Alter – „63 Jahre, jeden Tag Fleisch“.

Nun, so kennt man ihn und so lieben ihn einige: Ein bisschen Stammtisch hier, ein bisschen Schenkelklopfer da … und schon ist er wiedergewählt und auch sonst alles beim Alten: Tönnies / Lange im Aufsichtsrat, Altfeld / Schipper weiterhin im Wahlausschuss. Vereinslied singen, Freibier, Ende.Wobei ich gerne noch erwähnen möchte, dass Thorsten Altfeld in seiner Bewerbungsrede zur Wahlausschusskandidatur unter anderem die Nachfolgeregelung für Clemens Tönnies angesprochen hat. Die fällt nicht vom Himmel, und ein geeigneter Kandidat muss a) gefunden, b) aufgebaut und c) akzeptiert werden. Das ist keine einfache Aufgabe. Und keine Aufgabe, die von heute auf morgen erledigt wird.

Diese Mitgliederversammlung hinterlässt ein seltsames Gefühl: Man hat die Ahnung, dass da in dieser Saison etwas richtig kaputt gegangen ist. Es sind viele Fehler gemacht worden. Und die Schuld wird einer Person in die Schuhe geschoben. Ein bisschen viel Schuld für ein Paar Schuhe? Die richtigen Fragen dazu, was dort konkret passiert ist und welche Lehren man daraus zieht, sind aber gar nicht gestellt worden. Und man wird das Gefühl nicht los, dass, selbst wenn die richtigen Fragen gestellt worden wären, es dazu gar keine richtigen Antworten gegeben hätte. Es bewegt sich nichts – nicht im Aufsichtsrat und nicht im Wahlausschuss. Stillstand auf Schalke!

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