Mut zur Lücke

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SCHALKE UNSER 99

(rk) Auf der letzten Mitgliederversammlung hat Marketing-Vorstand Alex Jobst in seinem Bericht mehr Mut eingefordert. Das hinterließ bei vielen Mitgliedern einige Fragezeichen, die auch nicht weiter aufgelöst wurden.

Sportlicher Erfolg zahlt immer auch auf den Umsatz im Marketing ein. Das ist sicher eine Binsenweisheit. Wenn man oben mitspielt, sprudeln die Fernsehgelder und auch die Sponsoren haben Spaß, sich finanziell zu engagieren. Wird man allerdings wie in der vergangenen Saison nur Vierzehnter in der Liga, verpasst somit auch den internationalen Wettbewerb, so wird es schwer, den Mitgliedern eine gute Story zu erzählen. Vielleicht muss man dann eben auch eine Story erzählen, die „mehr Mut“ fordert – ohne zu sagen, was das eigentlich bedeuten soll.

Alex Jobst forderte auch mehr Innovationen ein. Nun hat er selbst ja in der Vergangenheit durchaus interessante Innovationsansätze aufgezeigt – etwa das Bezahlen mit dem Trikotärmel, das Engagement in China oder auch den Aufbau des eSports – mit der guten Aussicht auf finanziellen Erfolg. Bei welchen Innovationsideen wurde Alex Jobst denn eigentlich vom Verein ausgebremst? Wo braucht es mehr Mut? Oder besser: Wo hat der FC Schalke denn bislang zu wenig Mut gezeigt? Darauf gab es leider keine Antwort.

Und auch wenn vieles am sportlichen Erfolg hängt, so doch nicht unbedingt alles. Der FC Schalke 04 hat laut Geschäftsbericht des Jahres 2018 das Kunststück vollbracht, im Merchandise-Bereich ein Minus zu erwirtschaften. 15,8 Millionen Euro Ausgaben stehen Einnahmen in Höhe von 15,7 Millionen Euro gegenüber. Das macht ein negatives Saldo von 100.000 Euro – und das in einem Bereich, in dem die Gewinnmargen als sehr hoch gelten.

China: Die Kooperation mit dem chinesischen Klub „Herbei Fortune“ geriet eine zeitlang ins Wanken. Schalke schickte einige Trainer nach China, um dort beim Aufbau der Jugendarbeit zu helfen. Offenbar war man dort allerdings mit der Qualität des Ausbildungspersonals unzufrieden und drohte gar, die Zahlungen einzustellen. Inzwischen konnten Jobst und Knäbel durch ein persönliches Treffen in China das Problem wieder einfangen. Trainer sollen allerdings nicht mehr permanent nach China geschickt werden. Welche Konsequenzen dies auf die Kooperation haben wird, ist noch unklar.

Die Frage ist dabei aber auch, ob man hier nicht zu blauäugig an die Sache herangegangen ist. Woher kamen denn die ganzen Trainer, die Schalke mit einem königsblauen Trainingsanzug ausstaffierte und ins Reich der Mitte schickte? Gewisse Zweifel an der Qualitätssicherung sind angebracht und es bleibt auch die Frage bestehen, ob ein solches Projekt in der Hand des Marketing-Vorstands richtig aufgehoben ist.
Umbro: Auch der Wechsel des Ausstatters von Adidas zu Umbro lief nicht reibungslos. Groß angekündigte Trikots wurden vorab recht dilettantisch geleakt (auch in der zweiten „Umbro“-Saison) und auch das Design überzeugte längst nicht alle Fans – auch wenn hier natürlich die Geschmäcker auseinander gehen. Dass allerdings Trikots zur Mitte der Rückrunde den Mitgliedern für 19,04 Euro angeboten werden, die vorher noch fast 90 Euro gekostet haben, lässt darauf schließen, dass der Umsatz nicht mehr so lief. wie man sich das vorgestellt hatte, und entsprechend große Mengen noch die Lager füllten. Es hinterlässt auch Fans etwas konsterniert zurück, die zuvor die 90 Euro bezahlt haben, und wirft die Frage auf, wie der Verein zukünftig mit Trikotpreisen umgehen wird.

Liverpool-Testspiel: Das Testspiel wurde zunächst angekündigt und dann wieder abgesagt, weil der Premier League-Spielplan dazwischen kam. Das hätte man besser abwarten sollen und es bleibt offen, wer denn hier wirklich den zu frühen Startschuss erteilt hat. Jochen Schneider kündigte jedenfalls auf der Mitgliederversammlung an, dass durch Stornierung entstandene Reisekosten durch den Verein übernommen werden. Daneben soll der Verein aber auch auf den Kosten von vier Fliegern für Team, Sponsoren und Gremienmitglieder sitzen geblieben sein. Möglicherweise wurde auch hier schon für das Match Merchandise-Material hergestellt, das nun ebenfalls nicht mehr veräußert werden kann.

Tradition: Alex Jobst sagte in seiner Rede ebenfalls, dass Schalke nicht immer nur auf „Tradition“ setzen könne und man umdenken müsse. Nun, da sollte er bei seiner Kritik vielleicht am besten direkt mal in den Spiegel schauen. Er selbst ist doch maßgeblich dafür verantwortlich, dass das Thema „Tradition“ bei der Markenentwicklung seit Jahren penetriert wird. Der „Kumpel- und Malocherclub“ ist omnipräsent – es gibt eine ganze Kollektion dazu im S04-Fan-Shop mit Tassen, T-Shirts, Schals und Grillschürze. Wir verabschieden traditionsvoll die Bergmänner auf ihrer letzten Schicht in der Arena und es wurde eine Stiftung „Schalker Markt“ ins Leben gerufen, die sich der Traditionspflege verschrieben hat. Und wer ist nochmal genau eines der Vorstandsmitglieder dieser Stiftung? Genau: Es ist Alex Jobst.

Und natürlich halten auch alle Mitglieder aus dem Aufsichtsrat den „eingetragenen Verein“ hoch. Vor allem dann, wenn es um die Wiederwahl geht. Auch das hat Tradition. Was von diesen ganzen Willenserklärungen aber tatsächlich ernst gemeint ist? Man schaut nur vor die Köpfe. Und so bleibt am Ende leider auch nach den Ausführungen von Alex Jobst eine Lücke. Eine Lücke, die nach Mut ruft, aber ansonsten das ist, was eine Lücke eben ist: leer.

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