(mac/um) Fels in der Brandung? Freund der Spieler? Oder ein Trainer, der nur seinen Job macht? SCHALKE UNSER sprach mit JÖRG BERGER, einem Mann, der weiß, wo er herkommt und vor allem weiß, was er will.
SCHALKE UNSER:
Nach dem Pokalspiel in München schmetterte die Mannschaft in der Kabine „Ohne Vorstand fahr´n wir nach Berlin“. Sind die Spieler eine verschworene Gemeinschaft?
JÖRG BERGER:
Die Mannschaft ist vor allem im letzten Jahr durch den gemeinsamen Abstiegskampf zusammengewachsen. Die dauernden Querelen im Vorstand haben das noch verstärkt. Außerdem bewegen sich die Spieler alle auf einem Level. Selbst unsere Individualisten Olaf Thon und Jiri Nemec ordnen sich bereitwillig unter. Wir haben keine Startruppe, sondern ein Kollektiv, in dem der eine vom anderen abhängig ist. Die Spieler wissen das und ziehen an einem Strang.
SCHALKE UNSER:
Zur Vereinspolitik wollten Sie doch eigentlich schweigen. Wie kam es dann zur öffentlichen Erklärung von Trainer und Mannschaft?
JÖRG BERGER:
Als mit Rudi Assauer der Verbindungsmann zwischen sportlicher Abteilung und Vereinsführung beurlaubt wurde, war der Punkt erreicht, sich zu wehren. Wir haben ja immer still gehalten. Die Assauer-Beurlaubung aber ging ganz klar in den sportlichen Bereich. Da haben wir uns gesagt: Jetzt ist langsam Schluß.
SCHALKE UNSER:
Das empfinden ja auch die Fans so. Sind Zuschauer und Mannschaft näher zusammengerückt?
JÖRG BERGER:
Wer das in Leverkusen gesehen hat, wird es nicht so schnell vergessen. Das war ein Riesenerlebnis, vor allem für die Spieler. Sie waren stolz, den Fans mit dem Ausgleich in letzter Sekunde etwas zurückgeben zu können. Schließlich war die Mannschaft schon in Dortmund trotz der Niederlage unglaublich gefeiert worden. Die Fans haben ein feines Gespür dafür, ob die Mannschaft alles will und gibt. Wir können, wie z.B. in Dortmund, verlieren, müssen aber erhobenen Hauptes vom Platz gehen können. Unsere Anhänger wissen genauso gut wie wir selbst, daß wir nicht die begnadeten Techniker haben. Wir sind im athletischen Bereich gut drauf. Und wenn wir bis zur letzten Minute kämpfen, stehen die Fans in Frankfurt, Bremen oder München hinter uns. Die Fans ? da ist Schalke was ganz besonderes.
SCHALKE UNSER:
Den Gegner beschimpfen, die eigene Mannschaft aufbauen, sich selbst oder ein Ergebnis feiern. Nehmen Sie als Trainer während des Spiels die unterschiedlichen Gesänge eigentlich wahr?
JÖRG BERGER:
Nicht im einzelnen, dafür bin ich zu sehr auf dem Spielfeld. Ich bemerke natürlich schon, wie sich z.B. Dortmunder und Schalker Fanblöcke antworten. Das ist ja auch gut so und für beide Seiten spannend. Es darf nur nicht unter die Gürtellinie gehen. Das Problem mit farbigen Spielern hat ja nachgelassen. Bei Geschmacklosigkeiten ist auch mal der Stadion- oder Pressesprecher gefragt, der diese Dinge dann steuern könnte. Ich weiß auch wo ich herkomme. Ich war ganz unten und habe bei Null angefangen. Mein erstes Geld im Westen bekam ich vom Sozialamt. Ein Kompliment an den Stadionsprecher von Leverkusen, der hätte auch das Licht ausmachen und nach Hause gehen können. In einem engen Stadion, wie in Leverkusen oder Kaiserslautern, überträgt sich die Stimmung eh besser. Unser Stadion kostet uns pro Saison mindestens 4 Punkte.
SCHALKE UNSER:
Schalke plant ja die Arena …
JÖRG BERGER:
(runzelt die Stirn und verdreht die Augen) … Pläne gab es schon genug in Schalke. Ob ich das neue Stadion noch erlebe, bezweifle ich.
SCHALKE UNSER:
Sind Sie also nach einem Jahr Königsblau vorsichtiger geworden?
JÖRG BERGER:
Ich bin jetzt 25 Jahre Trainer und seit 15 Jahren im bezahlten Fußball. Ich war bei vielen spannenden und namhaften Vereinen, aber Schalke ist meine bislang schwierigste Station. Als Trainer plant man auch mal gerne über anderthalb Jahre. Das ist hier nicht möglich. Auf Schalke weiß man oft nicht, was einen morgen erwartet. Lizenzerteilung, Punktabzug, Präsidentenwechsel: Da war ich lange unsicher. Ich fahre täglich von Euskirchen bis zum Parkstadion, das sind 130 Kilometer pro Strecke.
Aber wer A sagt, muß auch irgendwann B sagen. Ich ziehe jetzt mit meiner Familie nach Schalke. Denn der Verein ist eine Herausforderung, hier Kontinuität reinzubringen.
(Jörg Berger sucht länger als bisher nach den passenden Worten) Dortmund hat uns vorgemacht, wie man mit Kontinuität an die Spitze kommen kann. Wir müssen feststellen: Wenn wir nach Dortmund sehen, schauen wir nicht nach unten, sondern nach oben.
SCHALKE UNSER:
Ist für Sie als Trainer jeder Verein ein möglicher Arbeitgeber? Gibt es überall die gleichen Bedingungen?
JÖRG BERGER:
Die Bedingungen schaffe ich mir selbst. Als ich hier anfing, wollte man mir ganz andere Leute hinstellen. Da lasse ich mir nicht reinreden. In Frankfurt bin ich gegangen, weil man mir im sportlichen Bereich reinreden wollte. Ich suche mir meine Leute selbst. Rudi Assauer, Hubert Neu und ich erledigen die sportliche Seite und das reicht. Ohne einen guten Manager wie Rudi Assauer wäre ich nicht zu Schalke gekommen. Man kann nicht in einem Verein arbeiten, wenn man mit dem Manager nicht klarkommt. So arbeite ich nur bei einem Club mit realistischen Zielvorgaben. Man kann mir keinen UEFA-Cup-Platz abverlangen, wenn es die Mannschaft nicht hergibt. Oder Duisburg z.B. könnte mir einen noch so guten Vertrag anbieten- da ist das Ziel, der Klassenerhalt, eine unlösbare Aufgabe.
SCHALKE UNSER:
Eine lösbare Aufgabe meistern, ist das der einzige Anspruch eines Trainers? Oder träumt er vom idealen Spielzug oder von der idealen Taktik?
JÖRG BERGER:
Natürlich habe ich die Vorstellung von einer modernen Spielweise, man muß aber das Pferd von hinten aufzäumen. Ich muß doch sehen, was ist an Spielern da und was ist mit ihnen möglich. Ich muß mich den Gegebenheiten anpassen. Es ist doch Unsinn, den Spielern ein System aufzuzwingen, wie es einige Trainerkollegen tun. Das führt nicht zum Erfolg. Ich kann doch auch nicht mit meinem Auto in der Formel 1 mitfahren. Meine Aufgabe ist es, den Spielern immer wieder ihre Stärken zu zeigen, zu zeigen, was sie am besten können. Nur so kann ich sie richtig motivieren.
SCHALKE UNSER:
Immer wieder andere motivieren: Woher nehmen Sie eigentlich ihre eigene Motivation?
JÖRG BERGER:
Von meinem inneren Ehrgeiz. Ich suche mir immer neue Ziele und komme so Stück für Stück weiter. Ich gebe Kurse vor Managern und Leuten aus der Wirtschaft und sage ihnen: Ohne Eigenmotivation geht gar nichts. Ich weiß wo ich herkomme. Ich bin damals unter riskanten Bedingungen aus der DDR geflohen. Ich war ganz unten und habe bei Null angefangen. Mein erstes Geld im Westen bekam ich vom Sozialamt.
SCHALKE UNSER:
Und nun noch ein Blick in die Zukunft. Rudi Assauer will einen Stürmer backen. Was wäre Ihr Rezept?
JÖRG BERGER:
Vor allem muß er sportlich zu uns passen und sich in die Mannschaft einfügen können. Aber er muß auch menschlich integer sein. Man erkundigt sich und hat seine inoffiziellen Kontakte.
SCHALKE UNSER:
… Für Jens Lehmann als Stürmer bräuchten Sie diese Kontakte ja gar nicht erst zu bemühen.
JÖRG BERGER:
… Wenn ich eins hundertprozentig weiß, der Jens ist es nicht.
SCHALKE UNSER:
Danke Jörg Berger. Glückauf.