SCHALKE UNSER:
Erst mal herzlichen Glückwunsch zur deutschen Meisterschaft. Dabei sah es Anfang des Jahres nach der unglücklichen Niederlage gegen den Mitfavoriten VfL Bochum gar nicht gut aus. Die Mannschaft wirkte nach dem Spiel deprimiert. Eine Woche später gewinnt ihr in Leverkusen mit 4:1. Wer oder was hat euch wieder aufgebaut?
SEBASTIAN BOENISCH:
Das war unser unglaublicher Teamgeist. Bei uns hat in dieser Saison jeder für jeden gekämpft, man konnte sich auf jeden verlassen. Man hatte keine Angst, auf dem Platz Fehler zu machen, weil man ganz genau wusste: Wenn man einen macht, sind die Kollegen da und bügeln ihn aus. Dieser Teamgeist hat uns durch die gesamte Spielzeit begleitet, jeder war für jeden da. Ich will nicht sagen, dass der Rückrundenstart nicht geglückt ist. Es waren einige Höhen und Tiefen da, aber ansonsten waren wir die Saison konstant.
SCHALKE UNSER:
Wie hat euer Trainer Norbert Elgert auf die Niederlage reagiert?
SEBASTIAN BOENISCH:
Er war nicht sauer, denn er wusste genau: Das ist ein 50:50-Spiel. Ich denke mal, er war auf die Situation vorbereitet. Klar, man ist davon überzeugt, dass man das Spiel gewinnt, aber das kann man nie vorhersagen. Nach jedem Spiel sprachen wir über unsere Fehler und darüber, was wir verbessern können. Und das hat uns dann nach vorne gebracht.
SCHALKE UNSER:
… bis in die Endrunde um die deutsche Meisterschaft und bis ins Finale. Im Halbfinale habt ihr das Hinspiel bei Hertha BSC 0:2 verloren und das Rückspiel mit 3:0 gewonnen. Waren die Berliner stärker als die Münchener, von denen im Endspiel nicht allzu viel zu sehen war?
SEBASTIAN BOENISCH:
Spielerisch waren die Berliner auf jeden Fall besser als die Münchener. Was die Münchener ins Finale gebracht hat, war deren Zusammenhalt. Bei Berlin ist es halt so, dass sie viele gute Einzelspieler haben, aber sie sind kein Team. Man hat das dann im Rückspiel gesehen. Wir waren eine Einheit, wir haben uns durchgesetzt und die hatten keine Chance.
SCHALKE UNSER:
Einige aus eurem Team sind Nationalspieler, wurden zu DFB-Lehrgängen eingeladen und fehlten bisweilen der Mannschaft. Dazu kamen noch die verletzten Spieler. Wart ihr auf jeder Position doppelt besetzt?
SEBASTIAN BOENISCH:
Wir waren eigentlich schon auf jeder Position doppelt besetzt. Unser Trainer Norbert Elgert hat versucht, Mittelfeldspieler genauso zu schulen wie einen Abwehrspieler, so dass er auch die taktischen Voraussetzungen für diese Position erfüllen kann. Unsere Stürmer etwa waren nicht nur Stürmer, sie konnten auch in der Abwehr spielen, wenn es notwendig war. Darauf ist in unserer Ausbildung viel Wert gelegt worden.
SCHALKE UNSER:
Was hat euch bewogen, nach Schalke zu kommen und nicht zu einem anderen Verein, die in der A-JuniorenBundesliga oben mitspielen?
SEBASTIAN BOENISCH:
Ich habe acht Jahre bei meinem Heimatverein SSVg Heiligenhaus und ein Jahr lang bei Borussia Velbert in der Niederrheinliga gespielt. Dann kam das Angebot von Rot-Weiß Oberhausen und ich spielte dort ein Jahr lang in der U17-Regionalliga. Eigentlich habe ich nicht mehr damit gerechnet, ein Angebot zu bekommen und bin davon ausgegangen, in Oberhausen zu bleiben. Nach dem Spiel gegen Schalke hat mich Schalke-Trainer Manfred Dubski zu einem Probetraining eingeladen. Ich bin dahin gegangen und war begeistert von den Trainingsmöglichkeiten, den Trainern und den Leuten im Umfeld. Ich war von Anfang an überzeugt, dass das für mich der richtige Weg ist. So bin ich zu Schalke gekommen und, wenn ich ehrlich bin, möchte ich hier auch nicht mehr weg.
SCHALKE UNSER:
Wart ihr auch auf der Schule am Berger Feld?
SEBASTIAN BOENISCH:
Zwei Jahre habe ich im Internat gewohnt, bin auf die Gesamtschule Berger Feld gegangen und habe mein Fachabitur gemacht. Derzeit mache ich hier im Haus ein Praktikum, um die Fachhochschulreife zu bekommen.
MESUT ÖZIL:
Ich war auch auf der Gesamtschule. Dort haben mich Norbert Elgert und Manfred Dubski entdeckt. Ich bin in Gelsenkirchen geboren, habe fünf Jahre bei Rot-Weiß Essen gespielt und dort auch eine schöne Zeit gehabt, aber ich war schon immer Schalke-Fan und mein größter Wunsch war es, hier Profi zu werden.
SCHALKE UNSER:
Ihr habt nun beide einen Profivertrag in der Tasche.
SEBASTIAN BOENISCH:
Im meinem Vertrag steht „Nichtamateur ohne Lizenz“. Für mich ist wichtig, dass ich mich hier weiterentwickeln kann und was auf dem Papier steht, interessiert mich eigentlich gar nicht.
SCHALKE UNSER:
Werdet ihr, falls ihr nicht bei den Profis spielt, bei den Amateuren zum Einsatz kommen, um Spielpraxis zu bekommen?
SEBASTIAN BOENISCH:
Das ist richtig. Aber auch da würde ich genauso Gas geben wie bei den Profis.
MESUT ÖZIL:
Bei mir ist das anders. Ich würde, weil ich noch siebzehn bin, für die A-Jugend spielen
SCHALKE UNSER:
Sebastian, du bist in Gleiwitz geboren, hast aber auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Könntest du für Polen spielen und bist du schon mal vom DFB angesprochen worden?
SEBASTIAN BOENISCH:
Ich könnte für Polen spielen, vom DFB gab es noch keine Anfrage. Der polnische Verband hatte mich zur U19-Europameisterschaft und zu den damit verbundenen Lehrgängen eingeladen. Aber zu diesem Zeitpunkt bin ich noch zur Schule gegangen und das wäre eine zusätzliche Belastung gewesen. Ich wollte mich voll auf die Schule und auf Schalke konzentrieren, also habe ich es sein lassen. Ich habe es erst einmal verschoben, aber wenn ich eine Einladung für die A-Nationalmannschaft bekommen würde, würde ich es mir schon überlegen hinzugehen.
SCHALKE UNSER:
Mesut, du hast auch noch beide Optionen offen?
MESUT ÖZIL:
Genau. Ich habe Einladungen sowohl vom türkischen Verband als auch vom DFB bekommen.
SCHALKE UNSER:
Viele Fans konnten nicht verstehen, wieso Mike Hanke Schalke verlassen hat. Wie wirkt eine solche Entscheidung auf euch, einen solchen Rohdiamanten wie Mike ziehen zu lassen?
SEBASTIAN BOENISCH:
Zu Mikes Beweggründen kann ich nichts sagen, aber als junger Spieler fragt man sich dann schon, wieso er keine Chance bekommen hat und macht sich halt seine Gedanken. Ich denke, dass es bei den Profis schwieriger ist in die Startelf zu kommen als in einer Jugendmannschaft, wo es vor allem auf den Teamgeist ankommt. Bei den Profis muss man mehr auf sich bedacht sein, seinen eigenen Weg gehen und nicht so viel auf andere achten.
SCHALKE UNSER:
Was sind eure Ziele für die nähere Zukunft?
SEBASTIAN BOENISCH:
Eine gute Vorbereitung zu haben, Gas zu geben, dem Trainer zu zeigen: „Hallo, ich bin da und hoffe zu einigen Einsätzen zu kommen.“ Aber ich denke realistisch, denn ich habe Top-Spieler vor mir und habe mir vorgenommen, mir von denen etwas abzugucken.
MESUT ÖZIL:
Meine Ziele sind eine gute Vorbereitung, dem Trainer zu zeigen, was ich kann, und ein paar Spiele zu bestreiten. Am liebsten im zentralen Mittelfeld, aber ich kann auch Linksaußen spielen. Wie es auch kommt, ich werde Vollgas geben.
SCHALKE UNSER:
Fußballprofi zu sein bedeutet auch, auf vieles zu verzichten. Sei es Freizeit oder auf kulinarische Genüsse. Wie geht ihr damit um?
SEBASTIAN BOENISCH:
Meine Einstellung ist: Ich habe noch mein ganzes Leben vor mir, kann bis dreißig Gas geben und mich mit sechzig immer noch ausruhen. Man muss sich auf das Wesentliche konzentrieren und ein Disco-Besuch gehört dann einfach nicht dazu. Man kann sich schon ‚mal eine Cola gönnen, aber grundsätzlich muss man auf seine Ernährung achten. Das ist ein wichtiger Faktor. Christian Frank, unser Ökotrophologe, berät uns da sehr gut.
SCHALKE UNSER:
Mesut, wie ist das bei dir mit Ramadan?
MESUT ÖZIL:
Fasten kann ich nicht, dass geht überhaupt nicht. Ich habe es ein paar Mal in der A-Jugend probiert. Mir wurde schwindelig. Ich fühlte mich schlapp und bekam Kopfschmerzen.
SCHALKE UNSER:
Und wie steht’s mit Freunden? Hat sich da etwas verändert?
MESUT ÖZIL:
Meine Freunde haben dafür Verständnis, dass ich nicht so oft mit ihnen zusammen sein kann. Sie sind nicht sauer oder so. Sie unterstützen mich und sagen: Du packst das!
SEBASTIAN BOENISCH:
Eine Zeit lang war ich, bis auf zwei, drei Ausnahmen, richtig enttäuscht von meinen Freunden. Die ersten Monate nach meinem Umzug von Heiligenhaus ins Internat war der Kontakt noch da und ist dann ohne erklärlichen Grund total abgebrochen. Dann kam das Spiel im UEFA-Cup. Ich machte mein Handy an und dachte: Aha, die Leute leben auch noch, und nur, weil ich jetzt ‚mal im Fernsehen war, melden sie sich wieder. Das fand ich überhaupt nicht gut und weiß seitdem, woran ich bin. Aber das hat auch etwas Positives.
SCHALKE UNSER:
Danke für das herzerfrischende Interview! Glückauf!