Hässliche letzte Spielminuten, böse Karlsruher: Nach dem 50. Geburtstag musste Schalke allerhand Unbill überstehen. Doch dann kam das (Flut-)Licht und am Ende wurde alles gut, wie im Märchen.
1955
Edi Frühwirth, im Jahr zuvor als neuer Trainer verpflichtet, beginnt mit dem Umbau der Schalker Mannschaft. Otto Laszig, Piontek und Helmut Jagielski rücken in die erste Mannschaft auf, aus Kassel kehrt Günter Siebert wieder zurück. Frühwirth legt viel Wert auf ein schnelles Reaktionsvermögen seiner Spieler. In der ersten Mannschaftsbesprechung stößt er nebenbei einen Aschenbecher vom Tisch. Der Einzige, der aufspringt, um das gute Stück zu retten, ist Walter Zwickhofer.
In den Oberliga-Spielen zahlt sich das Spezialtraining aber zunächst nicht aus. Am Ende der Saison stehen die Schalker mit fünfzehn Punkten Rückstand auf den Oberligameister Rot-Weiß Essen auf Platz 5. Hauptgrund ist die Niederlagenserie in den letzten Spielen der Rückrunde. Die Mannschaft konzentriert sich diesmal offensichtlich auf die Pokalspiele.
Die einzelnen Pokalrunden sind jedoch nichts für schwache Nerven. Bei Jahn Regensburg kassieren die Schalker in der 1. Runde kurz vor Schluss den 1:1-Ausgleich und auch im Wiederholungsspiel in der Glückauf-Kampfbahn haben die Knappen große Probleme. Zwar führen sie bereits nach 15 Minuten mit 3:0, lassen aber dann die Zügel schleifen. Zur Halbzeit führt plötzlich Regensburg mit 4:3. Zwei Sadlowski-Tore und ein Elfmeter von Paul Matzkowski in der Schlussminute sorgen dann doch noch für einen glücklichen 6:4-Erfolg. In der zweiten Runde ist Schweinfurt 05 zu Gast. Zwar erzielt Soya bereits in der 9. Minute den Schalker Führungstreffer, doch auch hier fällt kurz vor Schluss der 1:1-Ausgleich der Schweinfurter. Im Rückspiel erzielt Hansi Krämer den 1:0-Siegtreffer für die Blauen in der 73. Minute.
Im Viertelfinale gegen Bremerhaven 93 brauchen die Schalker bis zur 80. Minute, um in der Glückauf-Kampfbahn durch ein Freistoßtor von Günter Brocker in Führung zu gehen. Drei Minuten vor Schluss sorgt wiederum Brocker per Elfmeter für den 2:0-Endstand.
30.000 Zuschauer sehen am 7. April in Wuppertal das Halbfinale, bei dem sich Schalke und Kickers Offenbach gegenüberstehen. Schon nach zwei Minuten steht es 1:0 für die Kickers, die auch im weiteren Verlauf die spielbestimmende Mannschaft sind. Trotzdem fällt in der 28. Minute der Ausgleich durch Wilmovius. Nach dem Wechsel gibt es Einbahnstraßen-Fußball: Offenbach stürmt und Schalke mauert. Sieben Minuten vor Schluss lenkt der Offenbacher Kemmerer den Ball bei einem der wenigen Schalker Konter ins eigene Netz. Dabei bleibt es. Mehr als glücklich ziehen die Knappen ins Pokalendspiel ein.
Am 21. Mai ist in Braunschweig der Karlsruher SC Endspielgegner. Den Karlsruher Führungstreffer durch einen Kopfball von Kunkel gleicht Manfred Sadlowski nach einer Flanke von Berni Klodt mit dem Pausenpfiff aus. Wiederum Sadlowski bringt die Schalker in der 70. Minute mit 2:1 in Führung. Bis kurz vor Schluss sieht alles nach dem zweiten Schalker Pokalsieg aus. Ein Doppelschlag in der 85. Minute durch Sommerlatt und Traub, der den Ball fast von der Eckfahne aus ins Netz setzt, reißt die Knappen jedoch aus allen Träumen. Karlsruhe holt sich den Pokal.
1956
Die Arbeit von Edi Frühwirth trägt weitere Früchte. Als Zweiter der Oberliga Westfalen nehmen die Knappen an den Spielen um die Deutsche Meisterschaft teil. In den beiden Heimspielen gegen Hannover 96 und den 1.FC Kaiserslautern gewinnen die Schalker mit 3:1. In Hannover heißt es am Ende 4:0 für die Knappen, während das Spiel auf dem Betzenberg 4:4 endet. Hier zeigt sich wieder, dass die Schalker keinen Vorsprung über die Zeit bringen können. Fünf Minuten vor Schluss heißt es noch 4:2 für die Blau-Weißen, dann treffen noch Wenzel und Scheffler für die roten Teufel. Das eigentlich Schalker Problem heißt jedoch wieder Karlsruher SC. In der Glückauf-Kampfbahn siegen die Badener mit 3:0. Am letzten Spieltag müssen die Schalker nach Karlsruhe reisen. In der Tabelle sind die Königsblauen zu diesem Zeitpunkt Erster und haben zwei Punkte Vorsprung auf die Karlsruher. Ein Unentschieden würde die Endspielteilnahme bedeuten. Zweimal gehen die Schalker durch Tore von Hansi Krämer und Otto Laszig in Führung, zweimal gleicht Karlsruhe bis zur Pause noch aus. Der 3:2-Siegtreffer durch Beck in der 79. Minute beendet alle Schalker Hoffnungen auf das Endspiel – wieder ist man an den Karlsruhern gescheitert.
Am 22. Dezember wird in der Glückauf-Kampfbahn die Flutlichtanlage mit einem Freundschaftsspiel gegen UDA Prag eingeweiht. Zugleich ist es das Abschiedsspiel für den letzten Aktiven aus den Meistermannschaften der Vorkriegszeit: Hermann Eppenhoff.
1957
Die Blauen spielen auch in dieser Saison wieder oben mit. Am Ende werden sie jedoch nur Vierter, drei Punkte hinter dem Meidericher SV, der als Tabellenzweiter an den Spielen um die Deutsche Meisterschaft teilnehmen darf. Mit Willi Koslowski, der auf der Zeche Hugo arbeitet, steht aber wieder ein echter Knappe in der Mannschaft.
1958
Die Schalker machen es unnötig spannend. Am vorletzten Spieltag geht das Heimspiel gegen den Tabellenzweiten 1.FC Köln mit 2:3 verloren – die Entscheidung um den Meistertitel wird vertagt. Das letzte Meisterschaftsspiel am 13.04. gewinnen die Knappen beim SV Sodingen mit 1:0 und sichern sich mit einem Punkt Vorsprung vor den Kölnern den Titel des Westfalenmeisters.
Die Fußball-WM in Schweden steht vor der Tür. Neben Berni Klodt kommt auch Heiner Kördell im Dress der Nationalmannschaft zum Zug. Gegen Ägypten bestreitet er sein einziges Länderspiel.
Aus Zeitgründen wird die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft in zwei Gruppen gespielt, wobei es nur zu jeweils einem Aufeinandertreffen auf neutralem Platz kommt. 4:1 gegen Eintracht Braunschweig, 9:0 gegen Tennis Borussia Berlin und 3:0 gegen den Karlsruher SC – die Blauen sichern sich überlegen den Gruppensieg. In der anderen Gruppe steht der Hamburger SV (mit dem jungen Uwe Seeler in seinen Reihen) am Ende vorn.
8. Mai 1958: Es wird der Tag des Berni Klodt. Im Hannoveraner Niedersachsen-Stadion sehen 80.000 Zuschauer eine von Anfang an stürmende Schalker Mannschaft. Durch zwei Klodt-Treffer heißt es bereits zur Halbzeit 2:0. Nach der Pause erhöht Manni Kreuz auf 3:0. Der hohe Favorit aus Hamburg wird geschlagen – Schalke ist zum siebten Mal Deutscher Meister.
Die Rückkehr nach Gelsenkirchen wird zu einem einzigen Triumphzug. Zwei Brauereien spendieren Freibier, das Regionalfernsehen überträgt live, eine Kneipe wird direkt nach dem Endspiel blau-weiß angestrichen. Berni Klodts Haus wird von oben bis unten mit Girlanden geschmückt. 50.000 Schalker feiern auf dem Bahnhofsvorplatz, ca. 300.000 Menschen geleiten die Schalker Mannschaft zur Feier am Hauptbahnhof. Ernst Kuzorra kommentiert den ersten Meistertitel nach 18 Jahren Pause auf seine unnachahmliche Art und Weise: „So haben sie uns 1942 nicht empfangen.“