Yves Eigenrauch

Gegen den Strom

(sw/ae/dol) In der Ausgabe 04, exakt vor 100 Ausgaben, des SCHALKE UNSER haben wir 1994 mit Yves Eigenrauch gesprochen. Kurz zuvor hatte er sein Foto-Buch „Zwischendurch” veröffentlicht. Fast 30 Jahre später macht Yves mittlerweile einen Podcast. Zum Interview haben wir Yves, der im Moment temporär wieder in Porta Westfalica lebt, nach Resse gelockt und mit ihm Corona-konform frisch getestet ein Interview gemacht.

SCHALKE UNSER:
Glück auf. Vor exakt 100 Ausgaben hat das SCHALKE UNSER dich das letzte Mal interviewt. Zeit mal nachzuhören, wie aktuell deine Antworten heute noch sind. Los ging es damals mit der Mode: Stehst du immer noch auf den Stil der 1970er Jahre?

YVES:
Eines ist hinzugekommen. Ich trage super gerne Anzüge. Das kam bei mir mit Anfang 20 und hat sich die Jahre über gehalten.

SCHALKE UNSER:
Wie kam der Kleidungsstil bei den Mitspielern an?

YVES:
Kleidungstechnisch war es vor allem in meiner Anfangsphase ein Spießrutenlauf. „Wie läufst du rum?” oder „Bist du schwul?” hörte ich zuweilen. Das hat mir zwar keine Probleme bereitet, aber ich habe mir schon gedacht: „Was seid ihr für Schwachköpfe.” Ich habe eine Zeit lang auch enge Hosen getragen. Das war als Mann im Fußball wohl ein No-Go.

SCHALKE UNSER:
Die zweite Frage im Interview von 1994 widmete sich dem Kommerz im Fußball. Ein Thema, das nach wie vor aktuell ist. Siehe die jüngsten Pläne einer Super-League.

YVES:
Lass sie doch machen. Verstehe ich auch nicht, diese Kasperei, dass sich alle darüber aufregen. Sollen sie halt ‘ne Super-League machen. Warum nicht? Es ist ja die Frage dessen, ob es überhaupt angenommen würde. Alle sind am Kotzen und Stöhnen, es sei so kommerziell geworden. Ja, dann bleibt halt mit dem Arsch zuhause. Dann kauft nicht mehr die Sachen aus den Fanshops und geht nicht mehr in die Stadien. Durch so eine Reaktion kann man Einfluss nehmen. Das ist wie damals bei der Arena-Eröffnung, da sagten alle: „Nee, da gehe ich nie hin. Hallenfußball will ich nicht.” Zwei Tage später waren sie alle wieder da.

SCHALKE UNSER:
Das tun aber doch die wenigsten.

YVES:
Dann sollen sie bitte auch ruhig sein. Das heute ist für mich kein Fußball mehr. Das ist Unterhaltung. Rahmenprogramm gab es früher auch schon, aber es kommt eben aufs Maß an.

SCHALKE UNSER:
Damals sagtest du im Interview, dass du die Mannschaft als Arbeitsgemeinschaft verstehst. Das Gegenteil des oft genannten Ideals von einer verschworenen Truppe.

YVES:
Ich glaube, ich bin da nicht repräsentativ für. Bei mir war es sehr abhängig von der jeweiligen Konstellation. Die ersten Erstliga-Jahre kannst du nicht vergleichen mit der Mannschaft von 1995 bis 1998, die nicht unberechtigt gelobt wurde. Aber auch in der Mannschaft von 1997 gab es meinem Geschmack nach Vollspackos.

Wo ich beispielsweise auch immer hochgegangen bin: Wenn Mitspieler vollkommene Wesensänderungen haben, wenn sie das Spielfeld betreten. Die glaubten, auf dem Platz Leute umtreten zu müssen und zeigen zu müssen, dass sie der ultimative King sind. Nee, sage ich. Das eine gehört zum anderen. So wie du eigentlich bist, spiegelt es sich auch auf dem Platz wieder. Eigentlich war ich in der Nachbetrachtung nie drin in den Mechanismen, sondern immer nur dabei. Irgendwann haben alle meine Art zu nehmen gewusst oder aus Verzweiflung akzeptiert (lacht).

SCHALKE UNSER:
Hast du ein Beispiel, bei dem du gemerkt hast, dass du nicht drin warst, sondern dabei?

YVES:
Training unter Stevens, wir liefen um den Berger See. Einzige Ansage, die es gab war, dass wir in einem bestimmten Puls eine bestimmte Zeit laufen sollten. Alle sind einzeln losgelaufen, aber alle sind rechts rum gelaufen. Ich bin nach links losgelaufen. Ich hatte keinen Bock, wieder rechts ‘rum zu laufen. Und über die Richtung war ja auch nichts gesagt worden. Das gab ein Theater. Ich musste hinterher zum Manager. Da sieht man mal die Dynamiken. Es war ja nicht mein Problem, wenn sich nicht klar ausgedrückt wird. Will der Trainer, dass ich rechts rum laufe, soll er es sagen. Dann mache ich es auch.

SCHALKE UNSER:
Im Interview damals sagtest du, dass du dir Kinder erst mit Ende 20 vorstellen kannst. Wie schaut es aus?

YVES:
Das überrascht mich, dass ich das damals gesagt habe. Später habe ich nämlich gesagt, dass ich eigentlich gar keine Kinder will, weil ich ihnen nicht zumuten möchte, in die heutige Gesellschaft hineingeboren zu werden. Das habe ich Mitte der 90er Jahre gesagt. Es ist nicht dabei geblieben: Ich habe zwei Kinder. Aber genau das, was ich mir gedacht habe, warum ich keine Kinder haben will, ist mehr oder minder so eingetreten. Ich möchte sie aber nicht missen. Kinder sind großartig. Meine Kinder sind leider tendenziell auch so veranlagt, dass sie nicht alles einfach mitmachen. Das war auch mal ein Spießrutenlauf.

SCHALKE UNSER:
Du sagtest im Interview damals auch, dass die Yves-Rufe der Fans dir einen Motivationsschub gegeben haben.

YVES:
Da habe ich wohl etwas geflunkert. Motivation ist für mich nicht fremdgesteuert. Da muss keiner anfeuern. Ich bin automatisch motiviert. Wenn ich was mache, dann will ich es ordentlich machen. Diese Sympathie-Bekundungen waren für mich mehr eine Belastung, weil ich das Gefühl hatte, dass ich den Leuten was zurückgeben sollte … nee, zurückgeben wollte. Und da waren meine sportlichen Möglichkeiten durchaus limitiert.

SCHALKE UNSER:
Dein Foto-Buch „Zwischendurch“ war kurz vor dem Interview damals erschienen. Wie bewertest du dein Werk heute?

YVES:
Läuft bei mir immer unter Jugendsünde. Den Inhalt finde ich nett, aber der Farbton passt nicht. Ich hatte den richtigen Farbton gewählt, aber ich wusste damals nicht, dass er je nach Papier anders wirkt. Deshalb war das Königsblau eher ein Hellblau.

Die wurden damals zum Stadion geliefert. Ich freue mich und öffne den Karton und die Dinger waren hellblau. Das könnt ihr euch nicht vorstellen. Ich habe Puls und einen hochroten Kopf bekommen.

SCHALKE UNSER:
In dem Interview damals ging es auch um Sportinvalidität.

YVES:
Das hat bei mir hervorragend gepasst. Nach den Operationen hat es körperlich nicht mehr funktioniert. Das war ein Zeitpunkt, wo sich der Sport und sein Umfeld schon verändert hatte. Und mit den Veränderungen konnte ich nicht mehr kongruent gehen. Die Ansätze der Professionalisierung kamen. Mein Verständnis des Sports ist es aber nicht, dass man immer noch das letzte Quäntchen aus sich herauspressen soll und optimiert, optimiert, optimiert …

SCHALKE UNSER:
Der Sport war ja nicht dein einziges Interesse. Fotografie, Design, Werbung und Kunst wurden damals im Interview genannt. Seit jüngstem gibt es auch einen Podcast von dir.

YVES:
Der ist dem Zufall geschuldet. Auf die Idee wäre ich niemals selbst gekommen. Der Podcast entstand nach einem Gespräch mit einer Journalistin. Sie fragte, ob ich mir das vorstellen könnte. Die Grundidee, dass ich Menschen, die ich interessant finde, von denen ich ein bestimmtes Bild habe, frage, ob das Bild auch kongruent ist, finde ich gut. Zum Beispiel bei Westbam, dessen Musik ich Anfang der 90er Jahre oft gehört habe. Meine Interessen sind ansonsten geblieben. Theater ist noch dazu gekommen.

SCHALKE UNSER:
Ums Schauspiel ging es 1994 auch in der letzten Frage. Du hattest ja bei der Rocky Horror Picture Show mitgespielt. Weil du der einzige in der Mannschaft warst, der Motorrad fahren konnte, musstest du die Rolle des Eddy spielen. Damals sagtest du, dass dein Traum eine Harley Sportster sei. Hast du dir den Traum erfüllt?

YVES:
Nein. Auf das Knattern stehe ich auch gar nicht mehr. Die vom Motorrad ausgehende Geräuschbelästigung finde ich teilweise recht extrem. Ich bin damals eine Clubman von Honda gefahren. Vor paar Jahren habe ich die verkauft. Ärgert mich eigentlich ein bisschen.

SCHALKE UNSER:
Vielen Dank und Glückauf!

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