Christina Rühl Hamers, Dr. Susanne Franke und Thomas Spiegel (v.l.) auf der Veranstaltung "!Nie wieder"

Gegen den Gleichmut

(ini) Turbulent waren die vergangenen Tage im Verein. Ebenfalls wenig langweilig war es derweil bei der Fan-Initiative: von Gazprom über Katar bis zur Inklusion gab es verschiedene Themen.

Alle Links zum Artikel findet ihr gebündelt hier:

Nach Monaten der Vorbereitung war es soweit: Die Schalker Fan-Initiative und der FC Schalke 04 luden in die Arena zur Auftaktveranstaltung „!Nie wieder” zum 18. Erinnerungstag im Deutschen Fußball – mit Gästen im Publikum (2G+ natürlich) und im Live-Stream. Gemeinsam haben wir das Programm zum Thema „Jeder Mensch zählt – egal auf welchem Platz“ gestaltet. Im Mittelpunkt des Gedenkens standen Menschen mit Behinderung, die vom nationalsozialistischen Regime brutal ermordet wurden: Sabine Kittel vom Institut für Stadtgeschichte (ISG) berichtete über die Verfolgung dieser Menschen in Gelsenkirchen und Dietmar Theisen von der Schalker Fan-Initiative hielt einen Vortrag über das Schicksal der ermordeten Helene Wildaczyk. Sie wurde 1941 im Rahmen der systematischen Tötung von Menschen mit einer Krankheit durch die Nazis ermordet. Nach diesem historischen Blick auf das Thema Euthanasie in der NS-Zeit in Gelsenkirchen wurde der Blick auf Menschen mit Behinderungen im Kontext Fussball auf die Gegenwart – eine Gesprächsrunde mit Sabrina Führer, Klaus Horstmann und Alexander Friebel – und Zukunft gerichtet: Ein toller Impuls von Daniela Wurbs von “KickIn!!”; sie weitete den Blick auf die Inklusion aller Menschen zu allen gesellschaftlichen Bereichen und Orten) Ein wichtiger Beitrag, um Barrierefreiheit und Inklusion (nicht nur) im Fußball zu leben. Neugierig geworden? Weiteres findest du in unserem Youtube-Kanal.

Februar 2022: Kurz bevor der Vorstand des S04 endlich den erlösenden Schritt machte und sich vom Hauptsponsor Gazprom trennte, erreichten Presseanfragen die Fan-Ini. Zwei Termine haben wir wahrgenommen: Dietmar Theisen vertrat unsere Meinung zum Gazprom-Sponsoring in der Sportschau und Susanne Franke im Deutschlandfunk. Beide beschrieben die Beendigung des Sponsorings für „moralisch alternativlos“ und nahmen Abstand von historischen Blicken auf die Zusammenarbeit und Schuldzuweisungen. Die inzwischen glücklicherweise historischen Ausführungen findet ihr noch online hier und hier.

November 2021: Der Diskussionsabend „Foulspiel mit System: Ein Jahr vor der WM in Katar“ widmete sich einigen großen politischen Themen wie der Arbeit auf den WM-Baustellen, soziale und ökologische Vergabekriterien für Weltmeisterschaften sowie Solidarität im Fußball. Denn die WM in Katar ist so umstritten wie es lange keine große Sportveranstaltung mehr war und hat vor allem wegen der lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen auf den Baustellen immer wieder negative Schlagzeilen gemacht. Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen setzen sich seit Jahren für die migrantischen Arbeiter:innen auf Katars Baustellen und in anderen Sektoren ein. Fußballfans stellen sich inzwischen weltweit die Frage, wie sie ihre Macht als Konsumenten und Zuschauer:innen nutzen können, um der Ausbeutung und Kommerzialisierung in der Sportindustrie etwas entgegenzusetzen.

Die Veranstalter Gesellschaftsspiele e.V., Helle Panke e.V., Rosa-Luxemburg-Stiftung und Sport handelt fair hatten ins SO36 in Berlin geladen. Auf der Bühne begrüßte Ronny Blaschke unter anderen Dietmar Schäfers von der IG BAU (der die Arbeit auf den WM-Baustellen kennt), Jonas Burgheim vom Zentrum für Menschenrechte und Sport, Sebastian Son vom Centre for Applied Research in Partnership with the Orient und Susanne Franke von der Schalker Fan-Initiative und dem Netzwerk BoycottQatar 2022.

Per Video kamen die nepalesische Gewerkschaftlerin Smritee Lama und Katja Müller-Fahlbusch von Amnesty International Deutschland dazu. Müller-Fahlbusch verwies darauf, dass viele der versprochenen Reformen, die auf dem Papier gut aussehen, in großen Teilen nicht umgesetzt worden seien: Sie können ihren Job nicht frei wechseln, Löhne weiterhin spät oder gar nicht bezahlt und Pässe weiterhin eingezogen. “Fans müssen klarmachen, dass sie nicht länger bereit sind, Sportevents zu besuchen oder zu sehen und dabei die Frage der Menschenrechte auszublenden.” Fans könnten hier eine große Wirkung erzielen.

Lama schilderte, wie wichtig Arbeitsmigranten sind, um ihre Familien zu versorgen, doch: “Sie wurden für Arbeiten angeheuert, die für die eigenen Bürger als zu niedrig und gefährlich angesehen werden.” Visa würden nicht verlängert und die Migranten damit zu illegaler Arbeit gezwungen. “Sie leiden unter extremer Ausbeutung, bürokratischen Schikanen, Missbrauch, geistigen Qualen, unhygienischen Arbeitsplätze und Behausungen sowie Berufskrankheiten.” Ein so kompakter und informationsreicher Abend kann gar nicht zusammengefasst werden, also empfehlen wir das lohnende Video.

„Zwischen Gleichmut, Frust und Boykott – Diskussion zum Umgang mit der Fußball-WM in Katar“ –

für viele Fußball-Fans war mit der Vergabe der WM 2022 nach Katar eine weitere rote Linie überschritten. Die Haltung der Schalker Fan-Initiative gegen Rassismus und Diskriminierung war früh klar, wir sind seit langem Mitglied des Netzwerks „BoycottQatar 2022“. Doch wie geht die Fußball-Community mit dem Ereignis um, welche Positionen und Aktionen gibt es? Wir hatten mit Unterstützung der Rosa-Luxemburg-Stiftung für den 21. November 2021 zu einer digitalen Informations- und Diskussionsveranstaltung eingeladen, mit Sven Schneider von der Fan-Ini als Moderator.
Unser Gast Ronny Blaschke, Journalist und Buchautor, führte in die Hintergründe der damaligen WM-Vergabe ein. Er erklärte, dass Katar diese WM aus politischen Sicherheitsgründen unbedingt haben wollte. Und er erläuterte seine Boykott-Skepsis. Blaschke hält einen Boykott für unrealistisch, und auch unangemessen, da mit dieser Einstellung der gesamte globalisierte Sport zu boykottieren wäre. Statt dessen sollte die WM als Chance genutzt werden, um positive Veränderungen z.B. in den Bereichen Menschenrechte und Lieferkette anzustoßen.

Stefan Schirmer, Vorstandsmitglied von Julius-Hirsch-Preisträger „FC Ente Bagdad“, unserer Freunde aus Mainz, stellte das Netzwerk „Boycott Qatar 2022“ und ihre klaren moralischen Beweggründe vor. Natürlich wollen auch diese Akteure Veränderungen umsetzen, mit der Kraft klarer Kritik und der Wirkung als Fans und „Konsumenten“. David Heil skizzierte als Dritter im Bunde die Kampagne “#Back2Bolzen”, mit der die Schalker Fan-Initiative vereinsübergreifend alle Fußball-Fans dazu auffordert, während der WM aktiv zu werden und lieber selbst vor den Ball zu treten. Die Aufzeichnung der Veranstaltung findet ihr im Youtube-Kanal „Schalker Faninitiative e.V.“.

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