Dialog statt Abschmettern

(rk) Die Zeit der hitzigen Debatten um Satzungsänderungen auf Schalke scheint vorbei. Auf der Mitgliederversammlung am 12. Juni gibt es zwar wieder einige Anträge, aber diese sind zumeist im Einklang zwischen Antragstellern und Vereinsführung gestellt worden.

Die Zeit nach abgebrochener Online- und außerordentlicher Mitgliederversammlung ohne Anträge hat der neu besetzte Aufsichtsrat genutzt, um mit den Antragstellern die Anträge abzustimmen. Bei den allermeisten Anträgen empfiehlt der Aufsichtsrat nun, den Anträgen zuzustimmen.

Ausgevouchert

So etwa beim Antrag von Stefan Barta, der in der Satzung festschreiben möchte, dass keine Eintrittskarten, Voucher, Trikots oder sonstige Merchandisingartikel an Mitglieder verschenkt werden dürfen, wenn sie zur Mitgliederversammlung erscheinen. Ähnliche Lock-Praktiken gab es in der Vergangenheit auch schon bei anderen Klubs wie 1. FC Köln und VfL Bochum – insbesondere bei den Versammlungen, bei denen es um Ausgliederungen aus dem Verein ging. Dass der Aufsichtsrat diesen Antrag befürwortet, zeigt, dass sich da einiges in dem Gremium gedreht hat. Es geht zurück zu dem, wofür eine Mitgliederversammlung da ist: Vereinsangelegenheiten ruhig, sachlich und ohne Tamtam zu regeln.

Gemeinsamer Ausschuss

Ein etwas umfangreicherer Antrag beschäftigt sich mit der Kandidatur zum Ehrenrat. Bislang hatte hier der Aufsichtsrat das alleinige Vorschlagsrecht. Zukünftig soll laut dem Antrag ein gemeinsamer Ausschuss aus je drei Mitgliedern des Wahlausschusses und des Aufsichtsrats über die Kandidaten entscheiden. Die Wahl soll auf der Mitgliederversammlung weiter im Block passieren, die Amtszeit aber von zwei auf fünf Jahren erweitert werden. Beides hat zum Ziel, dass der Ehrenrat unabhängiger vom Aufsichtsrat wird, weil er diesem nicht mehr alle zwei Jahre „gefallen” muss. Der Vorsitzende des Ehrenrats hatte in der Vergangenheit die Möglichkeit, an den Sitzungen des Aufsichtsrats teilzunehmen. Dieser Passus soll laut einem Antrag von Prof. Dr. Till Zech gestrichen werden. Der Aufsichtsrat hat diesen Antrag zugelassen, damit die Mitgliederversammlung darüber bescheiden kann – allerdings empfiehlt er der Mitgliederversammlung, dem nicht zuzustimmen. Ein Novum: Bisher wurden unangenehme Anträge vorab abgebügelt.

Von Till Zech kommen auch noch weitere Anträge: So möchte er, dass vom Aufsichtsrat abgelehnte Anträge zukünftig mit einer einfachen Mehrheit auf der Mitgliederversammlung zur Beschlussfassung zugelassen werden. Bislang war dafür eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Das ist in sich logisch: Anträge, die bisher nur eine einfache Mehrheit benötigt hätten, aber vom – alten – Aufsichtsrat nicht zugelassen wurden, mussten erst die Zweidrittel-Hürde zur Zulassung nehmen, um dann aber mit einer einfachen Mehrheit angenommen werden zu können.

Direkte Wiederkandidatur

Mit einem weiteren Antrag möchte Till Zech sicherstellen, dass einmal gewählte Aufsichtsratsmitglieder bei anschließender erneuter Kandidatur auch direkt wieder zur Wahl zugelassen sind. Sollten zwei Aufsichtsratsmitglieder direkt wieder kandidieren, so kann der Wahlausschuss zusätzlich einen weiteren Kandidaten zur Wahl zulassen. Bedeutet also, dass zwei Aufsichtsratsmitglieder, deren Amtszeit ausläuft, direkt wieder kandidieren können und dass der Wahlausschuss dann bis zu fünf Kandidaten zur Wahl zulassen kann. Dies hat eine lange Vorgeschichte, ist doch Till Zech genau das selbst widerfahren. Interessant ist, dass vergleichbare Anträge von den früheren Aufsichtsräten stets verhindert worden sind. Es hält sich auch hartnäckig das Gerücht, früher habe der Wahlausschuss Clemens Tönnies nicht zulassen wollen, was sich im Nachhinein nur insofern bestätigt hat, als dass es eben ein Gerücht gewesen ist.

Der neu zusammengesetzte Aufsichtsrat, der bisher durch seine Arbeit glänzt, lässt diesen Antrag jetzt zu und umgeht damit für sich den von der Mitgliederversammlung eingesetzten Wahlausschuss, obwohl er sicher keinen Grund zur Sorge hätte.

Eine Bewertung ist schwierig: Ein amtierender Aufsichtsrat bringt unzweifelhaft Erfahrung mit. Allerdings gilt der alte Satz: „Das Bessere ist der Feind des Guten“ – vielleicht fliegt so ein Kandidat mit Kompetenzen, die dem aktuellen Aufsichtsrat fehlen, hinaus. Als der Passus in die Satzung einführt wurde, war dabei der Gedanke, dass mögliche Verfehlungen bisheriger Aufsichtsräte – beispielsweise, dass sie sich am Verein bereichert haben – nicht in der Öffentlichkeit und damit auch in der „Bild“ diskutiert werden müssten. Der Wahlausschuss ist zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Jugend an die Macht

Antragsteller Julius Schorlemmer möchte das Alter für die Stimmberechtigung von 18 auf 16 Jahren herabsetzen und zieht dabei in seiner Begründung die Analogie zu Landtagswahlen, bei denen in den meisten Bundesländern auch schon ab einem Alter von 16 Jahren gewählt werden darf.

Delegation, aber kein Eilausschuss

Der Aufsichtsrat selbst hat auch einen Satzungsänderungsantrag gestellt. Durch die Organisation in einzelnen Ausschüssen möchte man auch die Entscheidungskompetenzen in die Ausschüsse verlagern. Allerdings nicht so ohne Weiteres – und da scheint man aus den früheren Fehlern beim sogenannten „Eilausschuss” gelernt zu haben. Die Delegation der Entscheidungskompetenz in einzelne Ausschüsse kann nur mit Dreiviertelmehrheit erfolgen. Im Ausschuss selbst müssen die Entscheidungen einstimmig fallen. Und verlangen mindestens drei Aufsichtsräte, dass diese Delegation wieder rückgängig gemacht wird, dann erfolgt dies auch. Bemerkenswerte Lösung, die sowohl der Arbeitsfähigkeit und Flexibilität als auch der Verantwortung zum Amt Rechnung tragen soll.

Digital first

Der Vorstand selbst hat auch einige Anträge gestellt. Einer hat einen ganz praktischen Hintergrund, nämlich die Vollmachtserteilung für einzelne Mitarbeiter. Die heutige Satzung regelt das sehr strikt und es gilt auch noch das Schriftformerfordernis. Im digitalen Zeitalter wirkt diese Regelung recht antiquiert. „Digital” ist auch das Stichwort zu einem weiteren Antrag: Der Vorstand möchte, dass die Einladung zur Mitgliederversammlung zukünftig per Mail und über die Homepage erfolgen kann. Dies spart gleichzeitig viel Porto und Bäume müssen für das Papier auch nicht gefällt werden.

Gegen Sexismus

Für den Antrag, den Anti-Diskriminierungs-Paragraphen auch um „Sexismus” zu erweitern, haben sich Antragsteller aus Vorstand, Mitarbeitern der Geschäftsstelle des Bereichs Fans und Mitglieder sowie Mitgliedern der Schalker Fan-Initiative zusammengetan. Auch das darf man als Novum werten und ist ein Zeichen, dass Verein und Fans an einem Strang in dieselbe Richtung ziehen.

Gegenstimmen

Das klingt also alles sehr harmonisch. Lediglich ein Satzungsänderungsantrag, der sich mit der Zusammensetzung des Aufsichtsrats beschäftigt, musste vom Aufsichtsrat abgelehnt werden, weil er in sich unstimmig war und Lücken aufwies.

Man kann hier an dieser Stelle nur empfehlen, den Dialog mit dem Aufsichtsrat zu suchen. Wie wir von einzelnen Antragstellern gehört haben, wurde der gemeinsame Austausch mit dem Willen zur Lösungsfindung sehr gelobt.

Im Schalker Kreisel sind zudem noch zwei „normale” Anträge veröffentlicht. Der eine beantragt, dem Aufsichtsrat für die Jahre 2019/20 und 2020/21 keine Entlastung zu gewähren. Der Antrag ist obsolet. Zwar wurde bislang wegen des Abbruchs der letzten ordentlichen Versammlung noch nicht über die Entlastung abgestimmt, dies steht aber ohnehin auf Punkt 5 der diesjährigen Versammlung.

Der Antrag zur Ehrenmitgliedschaft von Clemens Tönnies entfällt.

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