Christian Pander

Schalke statt Real Madrid

(mg/sw) Einst war Christian Pander der Mann mit der linken Klebe auf dem Platz. Wie viele Profis hat er nach der Zeit als aktiver Spieler auf eine weitere Karriere im Fußball gesetzt – aber anders als die meisten: Jetzt arbeitet er als Mentaltrainer und ist jüngst unter die Buchautoren gegangen.

SCHALKE UNSER:
Deine Karriere wurde immer wieder von schweren Verletzungen überschattet. Wie geht’s dir heute?

CHRISTIAN PANDER:
Es geht mir den Umständen entsprechend gut. Ich hatte vor nicht allzu langer Zeit mal eine Nachuntersuchung für die Berufsgenossenschaft und war ein bisschen erschrocken über die Ergebnisse: Knorpelschäden dritten und vierten Grades. Aber für diesen Befund geht es mir echt gut. Ich kann nur viele Sachen mit meinem Knie nicht mehr machen – andererseits ist das schon seit Ewigkeiten so.

SCHALKE UNSER:
Was geht denn nicht mehr?

CHRISTIAN PANDER:
In die Hocke gehen, um meinen Kindern die Schuhe zuzumachen. Da komme ich zum Beispiel einfach nicht mehr richtig runter. Tiefe Beugungen und Hocke gehen schon lange nicht mehr. Schon bei den Treppenläufen unter Felix Magath hatte ich meine Probleme damit.

SCHALKE UNSER:
Während deiner Karriere wurdest du mitunter auf deine Verletzungen reduziert. Wie fühlt man sich als Spieler in solchen Situationen?

CHRISTIAN PANDER:
Das ist eine Katastrophe. Für mich war das ein ausschlaggebender Punkt für meine Karriere nach meiner Profi-Karriere: Ich habe mir auf die Fahne geschrieben, dass ich Menschen begleite, die in herausfordernden Situationen stecken. Ich steckte mit meinen Verletzungen eben in solchen Lagen selbst drin. Und für sowas gibt es kein Handbuch. Ich habe damals immer versucht, das Positive zu sehen, obwohl ich zwei Mal 19 Monate lang ausgefallen bin. Da gibt es natürlich Momente, die wahnsinnig schwer sind. Es gibt immer Phasen, in denen man sich fragt: Warum gehe ich überhaupt noch zur Reha? Aber man hat am Ende ein großes Ziel, zum Beispiel meine Belohnung am Ende der ersten Reha mit dem Comeback gegen die Bayern.

SCHALKE UNSER:
Wie bist du denn genau nach dem Karriereende zu deinem jetzigen Job gekommen?

Christian Pander
Foto: Tim Rehbein

CHRISTIAN PANDER:
Das Vertragsende in Hannover war teils selbstgewählt und teils fremdbestimmt. Da musste ich einsehen, dass es mit dem Knie keinen Sinn mehr hatte. Dann habe ich eine Umschulung gemacht, die von der Berufsgenossenschaft unterstützt wurde: Ich habe Sportmanagement studiert. Das ist ein spannender Bereich, aber der Wechsel vom Platz zu BWL im Fernstudium klappte nicht. Dann habe ich mich mit Freunden und Verwandten ausgetauscht, darunter auch mein heutiger Geschäftspartner. Den hatte ich mal bei einem Interview kennengelernt. Der war damals bereits im Mentaltraining unterwegs. Ich habe gemerkt, dass ich auch dahin will. Ich wollte schon immer Menschen helfen. So kamen wir zusammen. Ich habe mich dann entsprechend weitergebildet, um mir das nötige Wissen draufzuschaffen. Aber auch meine Erfahrung hilft.

SCHALKE UNSER:
Als junger Profi standest du im Wettkampf mit einigen Haudegen, die auch schon Erfolge vorzuweisen hatten. Zum Beispiel Jörg Böhme.

CHRISTIAN PANDER:
… und Nico van Kerckhoven! (lacht)

SCHALKE UNSER:
Genau. Hättest du dir damals mentale Unterstützung gewünscht?

CHRISTIAN PANDER:
Grundsätzlich ja. Aber ich war als junger Spieler dafür nicht offen und empfänglich. Es gab ja hin und wieder Angebote von Sportpsychologen. Aber ich habe schnell gemerkt, dass ich mit dem nicht auf einen grünen Zweig kam. Das hatte aber eher persönliche Gründe. Der Altersunterschied war groß. Das passte nicht. Er war sehr weit weg von meiner Welt. Ich habe nie gedacht: Mensch, das ist ein guter Kumpel, mit dem ich mich austauschen kann. Dabei ist das ein bisschen das Geheimnis des Mentaltrainings. Ein Coach ist eine Mischung aus Ratgeber und bester Kumpel. Wir bieten deswegen ein kostenloses Erstgespräch an. Da kann dann jeder checken: Passt der überhaupt zu mir? Kann ich mich bei dem öffnen?

Grundsätzlich gilt aber, dass damals wie heute im Fußball im Bereich mentaler Unterstützung vieles im Argen liegt. Spieler brauchen jemanden, der sie berät, aber nicht, wie der klassische Spielerberater, der von Vereinswechseln am meisten profitiert. Und so arbeiten wir als Mentaltrainer. Bei uns zahlt der Nationalspieler die gleiche Summe wie der Drittliga-Kicker.

SCHALKE UNSER:
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Mentaltrainer und einem Psychologen?

CHRISTIAN PANDER:
Sportpsychologen sind in einem viel breiteren Feld unterwegs und haben sich das im Studium erarbeitet. Wir beschränken uns auf einen Teilbereich. Das erfordert natürlich auch Weiterbildung. Mein Geschäftspartner ist kein Psychologe, sondern studierter Pädagoge mit Schwerpunkt Psychologie. Wir ergänzen uns da gut. Ich bringe auch die Erfahrung mit, wie es wirklich ist: wie es sich wirklich anfühlt, vor 63.000 Menschen ins Stadion einzulaufen.

SCHALKE UNSER:
Wie unterscheidet sich mentale Unterstützung eines Profifußballers von der eines Handwerkers oder eines Büroangestellten?

CHRISTIAN PANDER:
Dass jeder guten Rat gebrauchen kann, ist nicht von der Hand zu weisen. Der Handwerker muss sich vor seinen Kunden und dem Chef rechtfertigen. Aber der Fußballer muss sich vor 63.000 Leuten im Stadion, der Presse und eventuell ganz Deutschland in den sozialen Medien rechtfertigen. Dazu kommt, dass Profispieler sich auch selbst viel Druck machen. Deswegen ist es unabdingbar, dass sich professionelle Sportler mit jemandem treffen, der unterstützend auf sie eingeht. Egal, ob es ein Mentaltrainer, ein Coach oder jemand anderes ist.

SCHALKE UNSER:
Du hast dein Wissen nun ins Buch „Das Fussball-Mindset” gepackt. Wie lang hast du daran gearbeitet?

CHRISTIAN PANDER:
Die Idee gab es schon, seit ich 17 Jahre alt bin. Mit meinem Wechsel zu Schalke habe ich angefangen, ein Tagebuch mit Fußballbezug zu schreiben. Von 17 bis 20 habe ich meinen Tagesablauf quasi immer protokolliert. Am Ende war es ein Zufall, dass ich jemanden mit einem eigenen Verlag kennengelernt habe. Wir sind dann Anfang 2022 mit der Arbeit am Buch gestartet. Es war eine sehr intensive Zeit mit vielen Zoom-Calls. Bestimmt sieben oder acht Mal habe ich das Buch Korrektur gelesen.

SCHALKE UNSER:
Ist das Fussball-Mindset für das Buch entstanden oder sind das Gedanken, die du schon vorher hattest?

CHRISTIAN PANDER:
Wir haben in der Tat bei uns im Programm schon lange vom Fußball-Mindset gesprochen. Jetzt haben wir es für das Buch herausgeholt, um das zu erklären. Meiner Mutter musste ich auch erst einmal erklären, was Mindset bedeutet.

SCHALKE UNSER:
Hat sich ein ehemaliger Mitspieler zum Buch geäußert?

CHRISTIAN PANDER:
Ja, aber das war nicht überraschend. Schließlich habe ich das Buch an viele ehemalige Mitspieler geschickt. Ich wollte das Feedback gerne haben und natürlich auch ein bisschen Unterstützung. Die spannendste Phase ist für mich die nach der Veröffentlichung, weil da die Rückmeldungen reinkommen. Bis jetzt hat Gottseidank noch keiner gesagt, dass das Lesen die schlimmsten Stunde seines Lebens war. Wobei ich auch für negatives Feedback offen bin.

SCHALKE UNSER:
Gibt es 2024 dann einen zweiten Teil?

CHRISTIAN PANDER:
Nee, lass mal. Der Schaffensprozess hat Spaß gemacht. Aber es war anstrengend und hat viele Nachtschichten gebracht. Drei Kinder, Hund, Unternehmen: Der Alltag läuft ja nebenbei auch weiter. Ich hoffe erst einmal auf eine zweite Auflage.

SCHALKE UNSER:
Wir versuchen derzeit den Klassenerhalt zu visualisieren. Was müssen wir tun, damit es auch wirklich klappt?

Christian Pander
Foto: Tim Rehbein

CHRISTIAN PANDER:
Besser wäre es, wenn die Spieler den visualisieren würden. Das wäre eine gute Unterstützung. Hätte vermutlich auch der Mannschaft im Abstiegsjahr gutgetan. Nichtsdestotrotz gilt, dass Visualisieren nur ein Puzzlestück ist. Es unterstützt dich, aber um das Training auf dem Platz kommt man nicht drumherum.

SCHALKE UNSER:
Dann hoffen wir mal auf gutes Training.

CHRISTIAN PANDER:
Ich habe gelesen, dass der Verein einen Sportpsychologen geholt hat. Das finde ich mega gut. Ich plädiere dafür, dass mehr Mentaltrainer im Sport eingesetzt werden. Da geht es auch darum, Akzeptanz zu schaffen. Zahnschmerzen würde auch niemand mit sich selbst regeln wollen. Aber wenn sich jemand mental erschöpft fühlt, dann sagt er sich oft noch: Ach, drei Bier und drei Korn, dann passt das schon. Da kann der Profifußball eine Vorreiterrolle einnehmen. Diese Hoffnung habe ich seit Robert Enkes tragischen Tod. Damals ist leider nicht viel passiert. Dabei gibt es diese Probleme, die auch ein Mentaltrainer allein nicht lösen kann, im Fußball – wie in jedem anderen Teil der Gesellschaft.

SCHALKE UNSER:
Nicht zum ersten Mal arbeitet Schalke mit einem festangestellten Psychologen zusammen. Vielleicht wird es dieses Mal ja langfristig durchgezogen.

CHRISTIAN PANDER
Ja. Ich finde es allerdings auch schwierig, wenn solche Leute fest zum Trainerstab gehören. Beim Essen sitzen die am Trainertisch. Das sehen die Spieler und trauen sich dann nicht unbedingt, ein persönliches Problem anzusprechen. Das würde man als Spieler ja auch nicht dem Co-Trainer erzählen und garantiert nicht dem Cheftrainer. Ich finde deswegen externe Berater gut. Aber ich habe auch leicht reden, weil ich eine Firma habe, die nie fest mit einem Verein zusammenarbeiten will. Aber den grundlegenden Schritt finde ich von Schalke super.

SCHALKE UNSER:
Du empfiehlst in deinem Buch Tagträume. Wovon träumst du aktuell?

CHRISTIAN PANDER:
Gute Frage. Da muss ich überlegen. Aktuell beschäftigen mich die Termine rund um die Buchveröffentlichung. Aber auch private Dinge gehören dazu wie das erste Fußballtraining meiner Tochter vor wenigen Tagen.

SCHALKE UNSER:
Klammern wir deine Verletzungen aus: Bist du heute mit deiner Karriere zufrieden?

CHRISTIAN PANDER:
Die brauchst du gar nicht ausklammern. Das tue ich selbst auch nicht. Ich bin wahnsinnig zufrieden. Mit 21 Jahren bekam ich die Diagnose: Mit Fußball ist Feierabend. Diesen Maßstab setze ich an. Alles danach ist für mich ein Bonus. Ich war immer sehr dankbar dafür, dass ich trotz Verletzungen Karriere gemacht habe. Als ich nach Hannover kam, titelte die Bild-Zeitung: „Slomka holt den größten Patienten der Liga.” Das fand ich so abwertend einem Neuzugang gegenüber. Schlechterer Start geht ja gar nicht. Und trotzdem habe ich es auch dort geschafft. Ich bin mit meiner Karriere super zufrieden.

SCHALKE UNSER:
Es wurde ja einst kolportiert, dass sogar Real Madrid dich mal holen wollte. Denkst du manchmal: Besser ich wäre nach Spanien gegangen?

CHRISTIAN PANDER:
Das Interesse gab es tatsächlich von Real. Es lag aber noch kein unterschriftsreifer Vertrag vor. Dort spielte damals bereits Marcelo als Linksverteidiger. Ich wäre also eh nur Ersatzspieler gewesen. Klar hätte ich das doppelte Geld bekommen. Aber warum hätte ich abhauen sollen? Es lief doch richtig gut auf Schalke. Es gibt nichts Geileres als dort erfolgreich zu sein, wo du dich wohlfühlst. Es hat mir damals geschmeichelt, aber mehr nicht.

Buch: Das Fußball-Mindset
Autor: Christian Pander
Verlag: Forward
Preis: 19,90 Euro

(mg) Der ehemalige Fußballprofi Christian Pander verknüpft in seinem Buch „Das Fußball-Mindset“ auf gut 227 Seiten seine Erfahrungen als Mental-Coach mit seinen Erlebnissen in und um den Fußball. Dabei schlägt er immer wieder eine Brücke zwischen diesem „Fußball-Mindset“ und seiner Karriere. Er beginnt mit den Grundprinzipien seines Fußball-Mindsets. Diese mentalen Eigenschaften und Verhaltensweisen seien in sämtlichen Lebenslagen anzuwenden. Dies untermauert er jeweils mit Beispielen: In immer wiederkehrenden „Mindset-Espressos“ greift er jeweils ein Grundprinzip auf und fasst noch einmal zusammen. Alleine mit diesen kurzen Abschnitten von jeweils ein bis zwei Seiten, kann man schon einen Großteil des Fußball-Mindsets verstehen.

Man würde Christian Pander aber Unrecht tun, das Buch auf die „Mindset-Espressos“ herunterzubrechen. Gerade die Schilderungen aus seiner Karriere zeigen, an welchen Stellen ihm diese mentalen Verhaltensweisen geholfen haben und maßgeblich dazu führten, trotz diverser Rückschläge immer wieder auf den Platz zurückzukommen. Im Laufe des Buches berichtet Pander über den Verlauf seiner Karriere, wobei das Fußball-Mindset selbst weniger erwähnt wird. Allerdings kommt man bei seinen Erzählungen nicht umhin, die Ereignisse mit dem Fußball-Mindset abzugleichen. Eine schöne Ergänzung zu dem Buch sind diverse Videosequenzen. Leser können sich diese über einen QR-Code online anschauen.

Bei allem Lob muss aber auch erwähnt werden, dass der Text auf dem Cover, es würde explosive Details über Fußball geben, etwas übertrieben ist und einzig dazu anregen soll, das Buch zu erwerben. Gerade die Geschichten um Felix Magath dürften für alle Schalker interessant sein, sind aber dennoch nicht so spannend, wie es das Cover weismachen möchte. So eine Übertreibung hätte das Buch nicht gebraucht.

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