Melanie Illburger im Stadion

„Abschreiben sollte man den SFCV nicht“

(sw/ae/mp) Der Schalker Fanclub-Verband (SFCV) gehört zu den Institutionen des Schalker Fan-Universums. Doch in den vergangenen Jahren machte der Verband hauptsächlich negative Schlagzeilen. Jüngst kündigte der FC Schalke gar den Kooperationsvertrag mit dem SFCV. Im SCHALKE UNSER-Interview gibt Vorstandsvorsitzende Melanie Illburger einen Einblick in die Situation des Verbands.

SCHALKE UNSER:
Warum wolltest du den Posten beim SFCV überhaupt haben?

MELANIE:
Grundsätzlich finde ich es spannend, dass mich alle darauf ansprechen, dass ich Vorstandsvorsitzende bin: Ich bin schon seit anderthalb Jahren im Vorstand. Es fing damit an, dass mein eigener Fanclub, Schön Blau 08 (Bezirk 20), 2008 gegründet wurde. 2009 habe ich mit der Bezirksarbeit als stellvertretende Bezirksleiterin angefangen. So war ich immer in die Arbeit beim SFCV eingebunden. Sechs oder sieben Jahre lang habe ich mit Michael Riedmüller und Reiner Sievert im Kartengremium gearbeitet. Weiterhin war ich hauptsächlich für den Kids-Tag zuständig. Und auch die ausländischen Fanclubs werden von mir bedient. Und wie das immer so ist: Wenn man immer mit dem Vorstand meckert, muss man selbst ran.

Clubheim des SFCV, leere Bierbänke

Im ersten Wahljahr bin ich noch nicht durchgekommen. Danach habe ich überlegt, ob ich es nochmal machen soll oder nicht. Und dann haben wir drei – Michael Riedmüller, Reiner Sievert und ich – uns entschieden, als Team anzutreten. Wir sind damals zusammen mit Marion Heim gewählt worden; sie stand zur Wiederwahl an. Da Marion am längsten dabei war und die meisten Stimmen holte, wurde sie Vorstandsvorsitzende. Da sie im Januar aus persönlichen Gründen zurückgetreten ist, wurde ich die neue Vorstandsvorsitzende und Ludger Derijk ist als Vorstandsmitglied nachgerückt. Wir haben die Aufgaben unter uns verteilt: Michael ist im Aufsichtsrat, damit hat er genug zu tun. Da ich aus Recklinghausen komme, bin ich für die Geschäftsstelle und das Clubheim zuständig. Reiner macht einmal monatlich den Jour fixe mit Schalke zu den Themen Ticketing und Faninteressen. Ludger ist für alles im Hintergrund zuständig wie Verträge, Steuerberater und Plaza-Hotel. Im Großen und Ganzen ist die Arbeit im Vorstand mehr als gedacht, fast ein zweiter Vollzeitjob neben meiner eigentlichen Tätigkeit. Irgendwie muss ich ja Geld verdienen.

SCHALKE UNSER:
Böse Zungen würden behaupten, dass man in der Vergangenheit gut vom SFCV leben konnte.

MELANIE:
Ja, das habe ich auch gelesen und gehört; das war wohl auch so. In der Umstrukturierung 2017 haben die Mitglieder dafür gestimmt, dass der Vorstand nur noch ehrenamtlich tätig sein soll. Was ehrenamtlich allerdings auch eine starke Aufgabe ist, da niemand weiß, was da alles dranhängt: Man ist nicht nur Vorstand des Schalker Fanclubverbands, sondern auch noch Arbeitgeber. Wir beschäftigen drei Hauptamtliche in der Geschäftsstelle. Die braucht man aber auch, wenn du den Vorstand ehrenamtlich machst. Die Hauptamtlichen bereiten viele Themen vor, für die man sonst keine Zeit finden würde. Wir haben sehr viele Telefonate während der normalen Arbeitszeit getätigt. Da sind unsere Arbeitgeber zum Glück sehr entspannt.

Meine Kilometer darf ich natürlich abrechnen. Von Recklinghausen nach Gelsenkirchen ist es aber auch nicht so weit. Wir besuchen die Bezirksversammlungen, achten dabei aber darauf, dass immer derjenige fährt, der am nächsten dran ist. Wir versuchen die Kosten so gering wie möglich zu halten.

SCHALKE UNSER:
Du hast gerade deinen normalen Job angesprochen. Was machst du denn eigentlich beruflich?

MELANIE:
Ich bin Bauzeichnerin und arbeite in einem Architekturbüro in Herne.

SCHALKE UNSER:
Vielleicht können wir mal eine kleine Bestandsaufnahme machen: Wie ist gerade die Situation des SFCV? Eher auf dem aufsteigenden oder auf dem absteigenden Ast? Überwiegen die Probleme oder überwiegen die Chancen? Wie fühlt sich das für dich an?

Clubheim des SFCV, Thresen

MELANIE:
Aktuell fühlt es sich für mich sehr gut an, weil ich glaube, dass wir in den vergangenen anderthalb Jahren als Team gut funktioniert und zusammengearbeitet haben. Der Kontakt zum Verein ist auf Augenhöhe und enger als zuvor. Der Kontakt zu den Fangruppierungen wird enger, was natürlich auch am Verein liegt, da er uns alle mit in seine Entscheidungen einbezieht. Alleine dadurch kommt es zu mehr Kontakt zu anderen Fangruppierungen. Das ist sehr gut. Es war mir persönlich auch immer sehr wichtig, dass man wieder zueinander findet. Jede Gruppierung vertritt eigene Interessen, aber der Weg ist der gleiche und das Ziel auch.

Finanziell ist der SFCV gut aufgestellt. Wir haben viel umstrukturiert wie beispielsweise die Fanfahrten: Wir mussten ein Busunternehmen finden, das ein bisschen günstiger ist und haben auch die Kosten angepasst, sodass man nicht mehr mit plus/minus null da rausgeht. Auch im Clubheim haben wir etwas angepasst: Wir haben versucht, alles ein bisschen moderner zu machen, so gibt es jetzt EC-Kartenzahlung, nicht zuletzt auch durch Corona, was zur Akzeptanz beigetragen hat. Was wir zu dem Zeitpunkt noch nicht wussten, dass der Verein selbst kurz nach uns umgestellt hat.

Einnahmen generieren wir durch Fanfahrten, das Clubheim und durch Beiträge. Aber bei den Beiträgen muss sich auch etwas verändern, schließlich gab es seit 30 Jahren keine Anpassung mehr. Auf den Bezirksversammlungen bringen wir den Fanclubs näher, was wir uns dabei gedacht haben. Im Januar hatten wir unsere jährliche Bezirksleiter-Vollversammlung, an der wir mit allen Bezirksleitern die Pläne für das neue Jahr besprechen und auf das vorherige Jahr zurückblicken, gerade darauf, was man besser machen kann. Die Kommunikation ist transparenter und offener geworden. Natürlich gibt es auch Themen, die wir für uns behalten müssen, aber im Großen und Ganzen gibt es keine Geheimnisse mehr und wir glauben, dass die Fanclubs das auch so wahrnehmen. Ich bin bei Heimspielen im Clubheim als Ansprechpartnerin vor Ort und es sind viele Leute auf mich zugekommen, die finden, dass sich der SFCV positiver darstellt als in den vergangenen Jahren.

SCHALKE UNSER:
Was sind jetzt die nächsten Dinge? Ihr habt schon viel geändert, aber was nehmt ihr euch für die kommenden Monate vor?

MELANIE:
Wir haben natürlich ganz viel Planung im Hintergrund, aber es gibt Dinge, die länger brauchen als gedacht. Wir sitzen gerade mit dem Verein zusammen und überlegen uns, wie wir den Fanclubs eine Fanclub-Kollektion mit Schalke-Logo anbieten können. Geplant ist das zur neuen Saison. Ich hoffe, wir schaffen es bis dahin. Klar hat jeder Fanclub seine eigene Kollektion, dennoch fänden viele ein S04-Logo neben ihrem eigenen Logo noch cool.

SCHALKE UNSER:
Zum Thema Finanzen: Es gab ja lange einen Kooperationsvertrag mit Schalke. Der ist in wesentlichen Teilen aufgekündigt. Was heißt das jetzt für euch als SFCV?

MELANIE:
Der Verein hat alle Verträge auf den Prüfstand gestellt. Darunter war auch unser Kooperationsvertrag. Wir haben lange zusammengesessen, lange verhandelt und haben jetzt einen für den SFCV guten Kooperationsvertrag geschlossen. Es ist weniger Geld als vorher, aber das war ja klar. Deshalb haben wir die Fahrten neu kalkuliert und auch im Clubheim geguckt, was optimiert werden kann. Auch dort wurde 15 Jahre der Bierpreis nicht angepasst. Wenn man weiß, wie sich der Bierpreis für ein Fass Veltins entwickelt hat, dann hat man mit 3,50 Euro für einen halben Liter schon knapp kalkuliert. Auch die Mitarbeiter arbeiten nicht umsonst und bekommen alle Geld. In der Gastro darf es kein Ehrenamt geben. Bei diesen Sachen haben wir vorab schon darauf hingearbeitet. Bei den Beiträgen wollen wir einen sozialverträglichen Staffelbeitrag einführen, dessen Höhe sich an der Fanclub-Größe bemisst. Wir haben unter den 804 Fanclubs 40 mit weniger als zwölf Mitgliedern. Denen kann ich nicht sagen, dass sie plötzlich zum Beispiel 40 Euro mehr zahlen sollen. Dann fragen die uns: „Habt ihr ‘ne Meise?” Das neue Modell stellen wir gerade den Fanclubs in den Bezirksversammlung vor und werben für Ihre Zustimmung.

SCHALKE UNSER:
Ergibt ja auch Sinn, die großen Fanclubs bekommen ja auch mehr Geld rein.

MELANIE:
Ja, aber bei der letzten Mitgliederversammlung stellt sich ein Fanclub-Vertreter hin und sagt: „Ich habe 270 Mitglieder, warum soll ich jetzt 70 Euro mehr bezahlen?” Und da denkst du dir: „Rechne das doch mal um!” Manchmal muss man das einfach mal aufschreiben. Als Beispiel die Parkgebühren. Busse zahlen, wenn sie nicht zwei Stunden vor Anpfiff am Stadion sind, 20 Euro Parkgebühren. 20 Euro durch 50 Mitfahrer sind 0,40 pro Person. Autos zahlen schon länger 5 Euro. Bei fünf Mitfahrern sind das 1 Euro pro Person. Darüber wurde nie so viel diskutiert.

SCHALKE UNSER:
War die lang angekündigte Aufhebung auch Ansporn, sich die Struktur nochmal anzugucken, zu überlegen, was noch geht oder wart ihr eh im Reformprozess und das kam noch obendrauf?

MELANIE:
Eigentlich hatte der Reformprozess schon angefangen. Das hat natürlich angespornt, zusätzlich noch einmal alle Bereiche zu prüfen. Es fing damit an, dass unsere Fanclubs für das 25-jährige Bestehen Glaspokale bekommen. Wir hatten durch Corona viele Fanclubs, die geehrt werden mussten. Wir haben dann rausgesucht, wie teuer die Glaspokale waren. Da haben wir erstmal einen halben Herzinfarkt bekommen, das auf 120 zu ehrende Fanclubs hochgerechnet und gesagt: „Da müssen wir gucken. Das geht günstiger.“ Es sind so viele Kleinigkeiten gewesen, wo man sowieso schon im Prozess war. Infolge des neuen Vertrages haben wir gesagt: Okay. Wir dürfen uns jetzt Sponsoren suchen und haben auch schon einige angesprochen. Das wird also demnächst losgehen und ich hoffe, wir warten nicht lange auf viele Sponsoren.

SCHALKE UNSER:
Ist auch das Selbstverständnis des SFCV etwas, das sich ändert, oder ist das Selbstverständnis noch das gleiche wie bei der Gründung?

MELANIE:
Ich war ja bei der Gründung gar nicht dabei. Das war ja schon vor 44 Jahren. Ich glaube, dass das Selbstverständnis des jetzigen Vorstands das gleiche ist wie schon immer: Dass wir einfach für die Fanclubs und Mitglieder gewährleisten wollen, dass alles läuft und dass die Fanclubs weiterhin bestehen und ihre Fahrten machen können.

SCHALKE UNSER:
Das Außenbild des SFCV hat in der Fanszene gelitten. Da gibt es den einen oder anderen, der den SFCV als Relikt aus der Vergangenheit oder als reine Kartenverteilmaschine sieht, der aber darüber hinaus irrelevant sei. Was entgegnest du den Leuten, die den SFCV abschreiben wollen?

MELANIE:
Ich glaube, abschreiben sollte man den SFCV nicht. Wir sind 804 Fanclubs mit 55.000 Mitgliedern und wir sind deutschlandweit bzw. weltweit organisiert. Da ich jetzt die ausländischen Fanclubs betreue, sehe ich, wo die überall herkommen und dass sie regelmäßig ins Stadion kommen. Ich rede immer ungern über die Vergangenheit. Vieles habe ich nur von außen mitbekommen und man sollte einfach nicht so viel zurückschauen, sondern nach vorne. Da sind wir auf einem guten Weg in der Kommunikation untereinander. Ich merke es schon, wenn ich irgendwo auswärts bin. Man wird von den anderen Fangruppierungen erkannt und begrüßt. Das finde ich toll.

SCHALKE UNSER:
Plant ihr auch gemeinsame Aktionen? Man hat den Eindruck, der SFCV bliebe unter sich. Man sieht und hört ihn nicht, er malt keine Banner – versucht ihr, für den Otto-Normal-Fan präsenter zu werden?

MELANIE:
Mit der Fan-Ini haben wir uns schon getroffen und wollen uns gegenseitig unterstützen. Das gleiche gilt für die Ultras. Als die Schal-Aktion für den Flutlichtmast im Parkstadion gemacht haben, sind wir auf sie zugegangen: „Sagt uns, wie viele Schals ihr habt und wir machen bei uns in den Fanclubs eine Sammelbestellung und unterstützen euch dadurch!” Damals war die Kommunikation noch nicht so gut wie jetzt, aber auch da haben wir gesagt, dass wir uns alle gegenseitig ergänzen und untereinander helfen können. Die Ultras haben uns schon im Clubheim beim Heimspiel besucht. Im Gegenzug wurden wir in ihren Club 75 eingeladen. Wir möchten auch den Kontakt zu den anderen Fangruppierungen suchen, allerdings benötigt auch das etwas Zeit. Beim Mitgliederkongress war ich in der Gruppe „Schalke hilft!” und auch da habe ich mich mit Natascha Schwenzfeier ausgetauscht. Ich denke, dass wir sehr viel Potential für eine Zusammenarbeit haben.

SCHALKE UNSER:
Wenn wir darüber reden, dass sich die Fangemeinschaft aus verschiedenen Fan-Organisationen zusammensetzt und austauscht. Was bringt da der SFCV ein? Einerseits natürlich die Masse, aber es gibt da sicherlich noch mehr Ansatzpunkte.

MELANIE:
Oft geht es auch einfach um die Kommunikation und die Weiterverbreitung. Das war der erste Punkt, an dem wir uns einig waren. Wenn jetzt irgendwelche Projekte entstehen, kann man gezielt schauen, wie wir unterstützen können.

SCHALKE UNSER:
Das große Pfund des SFCV ist die große Anzahl an Fanclubs und Fans, die dort organisiert sind. Das soll natürlich erhalten bleiben. Wenn man jetzt schon hört, dass sich einzelne beschweren, weil sie wegen ein paar Mitgliedern mehr entsprechend etwas mehr Geld abdrücken müssen, stellt sich die Frage: „Wie hält man den Laden für die Zukunft zusammen, damit die Zahl der Menschen und die damit einhergehende Macht auch weiterhin beim SFCV liegt?”

MELANIE:
Ich glaube, viel musst du da gar nicht machen. Es wird immer Fanclubs geben, die sich abmelden und dann nicht mehr existieren. Es wird aber auch immer neu gegründete Fanclubs geben. Alleine dieses Jahr haben wir sechs neue begrüßt. Es ist natürlich schwierig dadurch, dass wir in 22 Bezirke eingeteilt sind und jeder Bezirk anders arbeitet. Je nach Standort und Entfernung gibt es auch unterschiedliche Interessen. Die, die ganz weit weg sind, sind kaum an Vereinspolitik interessiert. Die kommen hier runter und kriegen außer aus der Zeitung nix mit. Fanclubs aus der näheren Umgebung haben da schon mehr Kontakt mit dem Verein und fahren auch mal zum Training. Deshalb ist es schwierig, als SFCV zu sagen, was man da macht.

SCHALKE UNSER:
Gibt es bei euch einen Trend, dass weniger junge Menschen in Fanclubs sind?

MELANIE:
Das kann man pauschal nicht sagen. Bei manchen Dingen, Busfahrten zum Beispiel, merkt man schon, dass die Jungen fehlen. In einzelnen Fanclubs sieht man allerdings durchaus junge Leute. Das ist auch einer der Gründe, warum wir vier Mal im Jahr den Kids-Tag für unsere Fanklubs veranstalten. Jeweils zwei Spiele in der Hinrunde und zwei Spiele in der Rückrunde und dann machen wir mit Kindern bis 12 eine Stadionführung, Erwin kommt vorbei und es gibt ein kleines Geschenk. So bekommst du die Kleinen auch irgendwie zum Verein und die finden das voll toll. Meine Schwägerin ist Schalkerin, ihr Mann ist Kölner und seine Tochter ist jetzt ‘ne Blau Weiße. Sie fand es bei uns viel cooler.

SCHALKE UNSER:
Der SFCV ist ja auch als Kartenverteilzentrum bekannt und deshalb haben sich ja auch viele Fanclubs gegründet und angemeldet, um an Karten zu kommen. Die wollen gar kein Fanclub-Leben führen. Sind da die Hürden mittlerweile höher?

MELANIE:
Definitiv. Wir haben schon ein Auge darauf und haben die gleichen Bedingungen wie Schalke auch. Auswärtskarten gehen nur an Schalke-Mitglieder. Unsere Fanclubs müssen genauso wie Einzelbesteller zur Kontrolle. Es ist nicht mehr so einfach an Karten zu kommen wie seinerzeit. Wir haben keine Schublade, aus der wir die Karten rausholen können. Wir bekommen zwar ein Kontingent an Karten, aber dafür muss ich natürlich bei Heimspielen auch die Kategorie 2 mit 52 Euro an den Mann und die Frau bringen – und die verkaufen wir auch.

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