(rk) Auch nach der Jahreshauptversammlung beschäftigt die Fans weiterhin das Thema viagogo. SCHALKE UNSER sprach daher mit Marketingvorstand Alexander Jobst über die Kündigung des viagogo-Vertrags und die weitere Bekämpfung des Ticket-Schwarzmarkts.
SCHALKE UNSER:
Die diesjährige Mitgliederversammlung hatte als wesentlichen Diskussionspunkt den Vertrag mit dem Internettickethändler viagogo. Clemens Tönnies berichtete, er hätte in 19 Jahren noch nie soviel Prügel einstecken müssen. Wie haben Sie sich nach der JHV gefühlt?
ALEXANDER JOBST:
Ich war entsetzt. Nicht wegen der Kritik, die zum Beispiel in manchen Reden überzeugend vorgetragen wurde und mir – im positiven Sinne – nahe gegangen ist. Ich war entsetzt über das Niederbrüllen und Nicht-zu-Wort-kommen-Lassen von anderen Meinungen. Und ich war erleichtert, als auf der Geschäftsstelle zahlreiche E-Mails von Mitgliedern eintrafen, die eindrucksvoll dokumentierten, dass sie das genauso empfanden.
SCHALKE UNSER:
Bereits gut eine Woche nach dem Inkrafttreten wurde der Vertrag von Schalke 04 schon wieder fristlos aufgekündigt. Was hat den Vorstand dazu bewogen?
ALEXANDER JOBST:
Sponsoring-Partnerschaften haben umfangreiche vertragliche Rechte und Pflichten. Diese Grundlage einer Zusammenarbeit wird vor Abschluss entsprechend verhandelt. Es ist bekannt, dass wir lange vor der Jahreshauptversammlung unmissverständlich deutlich gemacht haben, auf die Einhaltung jener vertraglichen Pflichten sehr genau zu achten und dies genau zu prüfen. Mit Beginn der Partnerschaft haben wir entsprechend zügig agiert und die Konsequenzen gezogen.
SCHALKE UNSER:
Die Befürchtung vieler Fans ist, dass schon das kurzfristige Inkrafttreten des Vertrags nun dazu führt, dass dem Schwarzmarkt auf Schalke Tür und Tor geöffnet ist. Hintergrund ist das rechtskräftige Urteil in letzter Instanz des Oberlandesgerichts Hamburg, in dem der Hamburger SV gegen den Tickethändler seatwave in vergleichbarer Angelegenheit als Verlierer vom Platz ging. Wie ist die aktuelle Einschätzung des Vorstands zur rechtlichen Situation?
ALEXANDER JOBST:
Genauso wie bereits Anfang Juli: Der HSV hatte im Laufe dieses Verfahrens gegen seatwave einen Vertrag mit viagogo geschlossen, der sich von unseren Bedingungen deutlich unterschied: Pro Partie wurden dort 1500 Karten über die Ticketplattform angeboten. Zudem kassierte der HSV 85 Prozent des Verkaufspreises selbst. Das führte die Klage gegen seatwave ad absurdum. Wir hätten an den Kartenverkäufen hingegen keinen Cent verdient und waren in der Lage, einen Sicherheitsabgleich vorzunehmen, also zu kontrollieren, ob Tickets an Personen gehen, die ein Risiko für andere Stadionbesucher darstellen könnten. Dies hat der HSV versäumt. Vor allem aufgrund dieser beiden Faktoren – Einnahmen aus dem direkten Kartenverkauf und vernachlässigter Sicherheitsabgleich – sprach das OLG sein Urteil. Gehen wir gegen den Schwarzmarkt vor, würde ein Gericht zu anderen Schlüssen kommen.
SCHALKE UNSER:
Erwarten Sie von Seiten der Firma viagogo noch irgendwelche Schadenersatzansprüche oder ähnliches? Es hieß bekanntlich, viagogo behalte sich weitere rechtliche Schritte vor.
ALEXANDER JOBST:
Wir sind derzeit im Austausch, wie wir den Rechtsstreit beenden können. Mehr gibt es dazu aktuell nicht zu sagen. Wir werden unsere Rechtsposition wahren und ich bitte um Verständnis, dass ich dazu im Moment keine konkreten Detailauskünfte geben kann. Wir werden auf Nachfrage informieren, sobald der Rechtsstreit beendet ist.
SCHALKE UNSER:
Wie sieht nun konkret die weitere Vorgehensweise im Kampf gegen den Schwarzmarkt seitens des Vorstands aus? Wird nun gegen überteuerte Angebote bei ebay, seatwave oder viagogo vorgegangen?
ALEXANDER JOBST:
Es bleibt sehr schwer, den Schwarzmarkt zu bekämpfen. Internet-Ticketplattformen nehmen auf internationaler Ebene weiter zu. Es gibt nicht genug personelle Ressourcen für eine vollumfängliche Bekämpfung und auch rechtlich ist es weitaus schwieriger, als es sich viele per Ferndiagnose vorstellen. Das Problem ist, dass nahezu alle Verkäufer ihre Tickets anonym auf diesen Plattformen einstellen. Dennoch werden wir unsere Möglichkeiten ausschöpfen, um auch in Zukunft gegen den Schwarzmarkt vorzugehen. Das tun wir bereits mit Beginn des Kartenverkaufs zur neuen Saison – übrigens mit zusätzlichen, neuen Mitarbeitern.
SCHALKE UNSER:
Es gibt viele Fans und Mitglieder, die Sie im Kampf gegen den Schwarzmarkt auf Schalke unterstützen möchten. Wie kann dies am sinnvollsten geschehen? Gibt es zum Beispiel eine zentrale Stelle, an die man Schwarzmarktangebote melden kann?
ALEXANDER JOBST:
Am wirkungsvollsten wäre es natürlich, wenn kein Schalker eine Karte auf dem Schwarzmarkt kaufen würde. Sofern Angebote am Schwarzmarkt registriert werden, bitte einfach eine E-Mail an unser Servicecenter schreiben. Unsere Mitarbeiter bearbeiten den Hinweis umgehend, sofern wir ihn bei unseren eigenen Recherchen noch nicht selbst entdeckt haben. Insgesamt gilt: Wir sind wirklich für jeden Hinweis dankbar und gehen ihm nach. Wir erhalten oft Mails, die uns auf Vorfälle hinweisen, die uns bereits selbst bekannt sind. Grundsätzlich dürfen wir in all diesen Fällen aus rechtlichen Gründen gegenüber Dritten keine Auskünfte zum weiteren Verlauf geben, auch wenn dies manche Hinweisgeber bisweilen fordern.
SCHALKE UNSER:
Rückblickend betrachtet war die Liaison mit viagogo ein einziges vereinspolitisches und auch mediales Desaster. Was nehmen Sie aus dieser Erfahrung mit für Ihre zukünftige Arbeit auf Schalke?
ALEXANDER JOBST:
Wenn SCHALKE UNSER das so feststellt, dann meint es sicher auch: Es war ebenso wenig ein Ruhmesblatt für diejenigen, die Lügen, Verleumdungen und Verunglimpfungen gegen Vorstand und Aufsichtsrat verbreitet haben. Damit meine ich keineswegs alle, die sich für viaNOgo engagiert haben. Aber der eine oder andere hat sich hervorgetan; das ist uns nicht entgangen. Und für die Zukunft würde ich mir wieder wünschen, dass Behauptungen nicht einfach ungeprüft verbreitet werden – auch nicht vom SCHALKE UNSER.
Wir haben zudem festgestellt, welche Wege, mit Fans zu kommunizieren, sich als untauglich erwiesen haben. Diese werden wir ebenso wenig wieder beschreiten. Was ich für meine Arbeit mitnehme: Bei der Zusammenarbeit mit viagogo haben wir uns in Grenzbereiche vorgewagt, die wir ganz sicher nicht mehr betreten werden.
Persönlich sehe ich für die Zukunft auch weiterhin die Aufgabe, den Verein wirtschaftlich weiterzuentwickeln. Unzählige Diskussionen mit Mitgliedern und Fans in den vergangenen Monaten haben aber gleichzeitig positiv dazu beigetragen, für die Zukunft Anregungen für die tägliche Arbeit der Vermarktung des FC Schalke 04 aufzunehmen.
SCHALKE UNSER:
Im Vorfeld der JHV hat es Aktionen der viaNOgo-Bewegung gegeben, die der Vorstand des FC Schalke 04 unterbunden und sanktioniert hat. So wurde etwa das Verteilen von Infoflyern und das Sammeln von Unterschriften für eine außerordentliche Mitgliederversammlung untersagt und es wurden Tagesstadionverbote ausgesprochen. Wie steht der Vorstand heute zu diesen Maßnahmen?
ALEXANDER JOBST:
Wir sind darüber alles andere als glücklich, denn eine solche Situation bleibt grundsätzlich ein großes Dilemma. Umgekehrt kann es nicht bedeuten, dass wir mit dem Hinweis auf Mitgliedsrechte künftig jeder Unterschriftenaktion alle Türen öffnen müssen und werden. Die beste Lösung ist es, dass wir unsere Vereinspolitik wieder so gestalten, dass kein Mitglied mehr glaubt, eine solche Kampagne starten zu müssen.
SCHALKE UNSER:
Herr Jobst, da sind wir sicher einer Meinung. Vielen Dank für das Interview und Glückauf.
Anmerkung der Redaktion:
Das SCHALKE UNSER hat – entgegen der Meinung von Herrn Jobst – in der Vergangenheit im Bezug zur viaNOgo-Aktion keine Meinungen ungeprüft übernommen. Es ist trotzdem richtig, dass wir als SCHALKE UNSER auf der Seite der viaNOgo-Aktion standen und diese auch nach unseren Kräften unterstützt haben. Meinungen von viaNOgo-Aktivisten sind – etwa in Interviewform – auch als solche gekennzeichnet gewesen. Alles in allem lässt sich konstatieren, dass das SCHALKE UNSER journalistisch sauber gearbeitet hat.