Ins Wasser gefallen

(rk) Nach einer total verkorksten Saison folgte eine Online-Mitgliederversammlung mit weiteren Pleiten, Pech und Pannen. Der bislang eher vom Ticketverkauf bekannte “Session Error Day” fand seine Fortsetzung, doch die technischen Probleme blieben nicht die einzigen Peinlichkeiten.

Dabei waren die Verantwortlichen vor der Mitgliederversammlung guter Dinge. Noch am Samstag waren alle Tests erfolgreich und die Abnahme konnte erteilt werden. Am Tag der Mitgliederversammlung hatten sich zu Beginn um 9:04 Uhr fast 10.000 Mitglieder online eingefunden, vorher registriert und identifiziert. In den Wochen und Monaten zuvor war extrem viel Arbeit in diese Mitgliederversammlung gesteckt worden, damit diese ordnungsgemäß, corona-konform, rechtssicher und unanfechtbar durchgeführt werden kann. Bei der Begrüßung durch den Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Buchta ruckelte zwar der Stream, aber eine Browseraktualisierung half weiter. Doch bei der Testabstimmung das große Erwachen: Die allermeisten Mitgliedern sahen kein Abstimmungsfenster.

Ein weiterer Versuch scheiterte ebenfalls, danach Unterbrechung und es stellte sich das Gefühl ein, dass aus dem ursprünglich erwarteten langen Tag vor dem Monitor im Home-Office ein vielleicht doch recht kurzes Vergnügen wird. Technisch war das wohl schon zu dem Zeitpunkt nicht mehr zu retten. Die Frage bleibt, ob die technische Panne dem Dienstleister zugeordnet werden kann, der das Abstimmmodul zur Verfügung gestellt hat, und man diesen nachträglich in Regress nehmen kann. 

Cover SCHALKE UNSER 105
SCHALKE UNSER 105

Blöd war es allemal und so standen die Vereinsverantwortlichen wieder einmal wie die Deppen da. Manche machten daraus noch das Beste. Christina Rühl-Hamers stellte wirklich mal so etwas wie einen Finanzbericht einer Finanzvorständin dar und machte unmissverständlich die bedrückende finanzielle Lage des Vereins klar. Nicht ohne dabei auch auf Fehler der Vergangenheit hinzuweisen: “Wetten auf die Zukunft” dürfe es nie wieder auf Schalke geben. Auch Peter Knäbel konnte mit seinem sportlichen Konzept punkten. Große Sprünge bei den Transfers werde Schalke in nächster Zeit zwar nicht machen können, eine schlagfertige Truppe wolle man trotzdem auf den Platz bringen.

Der letzte Vorstand im Bunde gab seine Abschiedsrede. Alexander Jobst begrüßte Adidas zurück als Ausrüster ab Sommer 2022. Dass der neue Vertrag allerdings nicht mit Adidas, sondern mit “11teamsports” geschlossen wurde, erwähnte er dabei lediglich in einem Nebensatz. Finanziell eine ganz andere, niedrigere Hausnummer und Trikotdesign von der Stange. Aber ausbaden müssen das in den nächsten Jahren sowieso andere – der Vertrag läuft über fünf Jahre.

Da auf der Online-Mitgliederversammlung nicht mehr abgestimmt werden konnte, gab es nach den Berichten von Vorstand und Aufsichtsrat nur noch eine Aussprache. Technisch nicht nur für Schalke 04 eine Herausforderung. Mitglieder wurden aus dem Wohnzimmer zugeschaltet (ohne Ton), von der Terrasse (nur ab Mitte der Nase aufwärts im Bild) und aus dem Swimming-Pool. Mit Schalke-Tattoo kurz mal aufgetaucht. Sympathisch anzusehen, aber dieser traurige Rest der Tagesordnung hatte etwas Würdeloses. Die wenigen zielsicheren an den Aufsichtsrat gestellten Fragen der Mitglieder wurden oft nur sichtlich genervt von Dr. Buchta beantwortet. Peter Lange hielt die Mitgliederversammlung sogar nicht für den richtigen Ort, um Fragen der Mitglieder zu beantworten und verwies vielmehr auf Fanclubtreffen. 

Irgendwann brach Dr. Buchta die ordentliche Mitgliederversammlung ab und lud zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung. Dort standen nur die Wahlen zum Aufsichtsrat, Wahlausschuss und Ehrenrat auf der Tagesordnung. Nicht mehr darauf waren die Wahl ins Ehrenpräsidium, für die eigentlich Pfarrer Hans-Joachim Dohm vorgesehen war. Der hatte sich allerdings nach seinem Bericht aus dem Ehrenrat, der eher einem verbalen Amoklauf glich, selbst aus dem Rennen genommen. Das war ein bemerkenswerter Auftritt, der seinem Blutdruck nicht förderlich war. Und, nebenbei bemerkt, das erste Mal, dass der Ehrenrat ausführlich Bericht über seine Tätigkeit erstattete – bisher war das mit dem Verweis auf „Verschwiegenheit“ kurz oder ganz ausgefallen.

Nachdem die ordentliche Mitgliederversammlung in Form einer Online-MV aufgrund technischer Probleme abgebrochen werden musste, lud der FC Schalke 04 e.V. also zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung mit dem Ziel, die anstehenden und dringend benötigten Wahlen zum Aufsichtsrat und Wahlausschluss endlich über die Bühne bringen zu können – allerdings ohne Anträge und Aussprache. Die sollen dann eine JHV später folgen.

Um einer möglichen Absage der geplanten Präsenzveranstaltung zuvorzukommen, gab es neben der Einladung zu dieser auch eine Einladung für eine virtuelle außerordentliche Mitgliederversammlung einen Tag später. Wie vom S04 erhofft ließ die Corona-Lage eine außerordentliche MV in Präsenz zu, und so war es für viele Schalker nach langer Zeit der erste Besuch in ihrem Wohnzimmer.

Bei bestem Wetter in der Stadt der tausend Feuer eröffnete Dr. Jens Buchta um 11.04 Uhr die MV und begrüßte gut 3500 Schalker. Nach kurzer Rückschau auf die zuvor abgesagte ordentliche Versammlung 2021 verabschiedete Dr. Jens Buchta die ausscheidenden Aufsichtsräte. Ein besonders schöner Abschied war es für Huub Stevens, welcher mit Standing Ovations und zu den Klängen des Eurofighter-Hits „Wir schlugen Roda …“ von den versammelten Schalkern verabschiedet wurde.

Die folgenden Vorstellungen der zehn Aufsichtsratskandidaten waren geprägt von Beteuerungen, dass auf Schalke wieder mit Weitsicht gehandelt werden muss. Für alle Kandidaten war die finanzielle und sportliche Krise von großen Belangen und es sollte endlich wieder mit Ruhe und Bedacht agiert werden.
Nach Abschluss der Reden folgte eine kurze Aussprache zu den einzelnen Vorstellungen. Die Aussprache bezog sich dann einzig und allein auf eben diese. Manche Schalker wollten diese Gelegenheit noch nutzen, um etwas Schmutzige Wäsche zu waschen, was durch die anderen Schalker mit einem ziemlich lauten Pfeifkonzert bedacht wurde. Das Zuschütten der Gräben hatte begonnen.

Anschließend ging es für die Schalker zu den auf der Promenade aufgestellten Wahlurnen, in die die Stimmzettel einzuwerfen waren. Aufgrund der Corona-Situation war es nicht möglich, mithilfe der elektronischen Abstimmgeräte abzustimmen: Die funktionieren nämlich nicht überall im Stadion. Während die Stimmzettel ausgezählt wurden, stellten sich die Kandidaten für den Wahlausschuss den Mitgliedern vor. Die Vorstellungen zum Wahlausschuss waren, wie zuvor die Vorstellungen der Aufsichtsratskandidaten, ebenfalls von wirtschaftlicher Vernunft geprägt. Es sollen Mitglieder für die Aufsichtsratswahlen zugelassen werden, die die nötige wirtschaftliche Kompetenz besitzen, dabei aber auch das „Wesen“ des Schalkers verstehen und bewahren.

Nachdem die Stimmzettel für den Wahlausschuss eingeworfen waren, standen die Wahlen zum Ehrenrat auf dem Plan. Ohne ein bisher bekanntes Gesicht wurden fünf Kandidaten vom Aufsichtsrat vorgeschlagen. Alle Kandidaten wurden über die Blockwahl bestätigt und bekleiden das Amt als Ehrenrat nun bis 2023. Nun begann das lange Warten. Alle warteten auf die Verkündung der Ergebnisse zu den Ausichtsrat- und Wahlausschusswahlen, doch auch nach mehrmaliger Rückmeldung von Dr. Jens Buchta, es sei gleich soweit, dauerte es mehr als eine Stunde, bis die Ergebnisse für den Aufsichtsrat feststanden. Währenddessen bespaßte Schalke seine Mitglieder mit den Höhepunkten des Schalker Youtube-Kanals. Bedenkt man die letzte Saison, waren die Highlights rar gesät.

Nachdem endlich die ersten Ergebnisse feststanden, verstand auch der letzte Schalker den Grund für die Verzögerungen: Es war eng, sehr eng, und die Verantwortlichen wollten keine Fehler machen und ließen lieber einmal mehr nachzählen. In den Aufsichtsrat zogen die Mitglieder Moritz Dörnemann, Sven Kirstein (beide gewählt bis 2024), Axel Hefer, Holger Braun (Amtszeiten bis 2023) und Johannes Struckmeier (bis 2022) ein.

Dann hieß es wieder warten. Nach weiteren mehr als 45 Minuten, die Arena war mittlerweile nur noch spärlich besucht, stand auch endlich das Ergebnis zu den Wahlausschusswahlen fest. Die Mitglieder wählten schlussendlich Anja Wortmann sowie Maik Deinert für vier und Dr. Stephan Kleier und Markus Peick für drei Jahre in das Gremium.

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