(rk) Der 1. FC Kaiserslautern ist bislang der einzige Klub, dem das Kunststück gelang, direkt nach einem Aufstieg Deutscher Meister zu werden. Das war 1998. Heute stehen die Roten Teufel im Mittelfeld der Dritten Liga, haben ihren Lizenzspielerbereich vor zwei Jahren ausgegliedert und immer noch keinen Investor gefunden. Ein Trauerspiel in mehreren Akten.
Spricht man von den Roten Teufeln, dann denken die Älteren unter uns an den bebenden Betzenberg mit seinen giftigen Fans, an Fritz und Ottmar Walter, an Hans-Peter Briegel („die Walz aus der Pfalz“), an Otto Rehhagel, Stefan Kuntz, Pavel Kuka, Andreas Brehme, Youri Djorkaeff, Mario Basler, Michael Ballack und Miroslav Klose. Doch die jüngere Generation kennt den Klub hauptsächlich durch Negativschlagzeilen – oder gar nicht mehr. Der Fan-Shop des FCK bietet T-Shirts mit dem Schriftzug „Willkommen in der Hölle“ an. Und auch wenn das wohl als Warnung für Gästefans gemeint sein soll, so dürfen sich vor allem die Fans der Roten Teufel selbst angesprochen fühlen: Lautern ist ein Paradebeispiel dafür, wie man einen Verein durch falsche Personalentscheidungen, Misswirtschaft, Fehleinschätzungen gepaart mit Größenwahn und Selbstdarstellern in der Führungsriege kaputt bekommen kann. Der Niedergang sucht seinesgleichen.
1996 stieg der Klub in die zweite Liga ab, doch irgendwie wirkte das damals wie ein Betriebsunfall. Lautern war eine Größe in der Bundesliga und gewann im Jahr des Abstiegs sogar noch den DFB-Pokal (1:0 gegen den Karlsruher SC). Trotz des Abstiegs blieb die Mannschaft größtenteils zusammen. Das Präsidium trat allerdings zurück. Der FCK bekam einen neuen Aufsichtsrat, besetzt unter anderem mit Ex-Trainer Karl-Heinz Feldkamp und Jürgen „Atze“ Friedrich, der bereits zweimal Präsident des Vereins gewesen war. Als Trainer wurde Otto Rehhagel geholt, mit dem man zwar im Europa- und DFB-Pokal früh ausschied, letztlich aber das Ziel des direkten Wiederaufstiegs souverän schaffte. Ein Jahr später folgte der sensationelle Gewinn der vierten deutschen Meisterschaft.
Das wird für lange Zeit die letzte Meisterschaft bleiben, denn in der Nach-Rehhagel-Zeit offenbarten sich nicht nur sportliche Probleme, auch die finanzielle Situation verschlechterte sich dramatisch. Grund war eine verfehlte Transferpolitik. Taribo West, Steffen Freund, Christian Nerlinger, Carsten Jancker – teuer geholt als international erfahrene Spieler – schlugen allesamt nicht ein.
Zudem musste sich der FCK auch an den Kosten des Ausbaus des Fritz-Walter-Stadions zum WM-2006-Stadion beteiligen. Da kamen 38,5 Millionen Euro zusammen, die nun natürlich für die Verstärkung der Mannschaft fehlten. Sowieso war der Ausbau durch Pleiten, Pech und Pannen begleitet. Während der Erweiterung der Osttribüne musste das beauftragte Bauunternehmen Philipp Holzmann Insolvenz anmelden, was zwischenzeitlich zu einem Baustopp führte.
2003 geriet der FCK wieder in Abstiegsnöte, konnte sich aber unter Trainer Eric Gerets noch retten. Präsident war inzwischen der Schweizer René C. Jäggi. Er konnte die finanziellen Nöte durch einen Verkauf des Stadions und des Nachwuchsleistungszentrums an eine städtische Stadiongesellschaft kurzzeitig lindern. Seitdem zahlt der FCK allerdings Miete für ein viel zu großes Stadion. Es bietet Platz für 50.000 Zuschauer, aber meist ist es noch nicht einmal zur Hälfte besetzt. 2015 kaufte der Verein das Nachwuchsleistungszentrum für 2,6 Millionen Euro zurück, finanziert durch eine Fan-Anleihe.
Das Trainerkarussel drehte sich in der Pfalz schnell. Kurt Jara, Michael Henke und Wolfgang Wolf durften ihr Glück versuchen, scheiterten aber genauso. 2006 stiegen die Roten Teufel wieder ab und blieben für vier Jahre in der Zweitklassigkeit. Im Sommer 2009 wurde Marco Kurz als neuer Cheftrainer verpflichtet. Mit ihm gelang der erneute Aufstieg und ein beachtlicher siebter Tabellenplatz. Doch das zweite Jahr nach einem Aufstieg ist bekanntlich das schwerste. Nachdem die Lauterer 16 Spieltage am Stück kein Spiel gewinnen konnten, trennte sich der FCK von Cheftrainer Marco Kurz und verpflichtete Krassimir Balakow. Die Serie der sieglosen Spiele in Folge verlängerte sich auf 21 und nach dem 32. Spieltag stand der FCK als erster Absteiger der Saison 2011/12 fest.
In der zweiten Liga verpassten die Pfälzer in der Relegation gegen TSG Hoffenheim den Wiederaufstieg. Noch zwei Jahre lang kratzte der FCK mit zwei vierten Plätzen wieder an der Relegation, doch dann kam der jähe Abstieg. Nur noch Zehnter in der Saison 2015/16 und 13. in der Saison drauf – und viele verschlissene Trainer. Franco Foda war der 15. Trainer in 13 Jahren, danach kamen in kurzer Folge Oliver Schäfer, Kosta Runjaic, Konrad Fünfstück, Tayfun Korkut, Norbert Meier, Manfred Paula, Jeff Strasser, Michael Frontzeck. Am 34. und letzten Spieltag der Saison 2017/18 waren die Roten Teufel mit 35 Punkten Tabellenletzter.
Der Verschleiß an Trainerpersonal und Führungskräften war atemberaubend und die Stadionmiete wuchs dem Verein in der Dritten Liga über den Kopf. Die Stadt Kaiserslautern kam dem Verein zwar immer wieder mit Mietminderungen entgegen, aber die Politiker in der hochverschuldeten Stadt waren darüber alles, nur nicht amüsiert. Die Lage war hochprekär, die Lizenzanträge waren noch nicht eingereicht. Inzwischen war wohl allen klar, dass dieser Klub nur noch durch einen oder mehrere Investoren am Überleben gehalten werden kann. Dieser Verein stand mit dem Rücken zur Wand.
Auf der Mitgliederversammlung im Juni 2018 waren 2295 stimmberechtigte Vereinsmitglieder anwesend. Vor der Wahl machte der Aufsichtsratsvorsitzende Patrick Banf den Mitgliedern die Ausgliederung schmackhaft: „Mit der Entscheidung über eine Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung liegt vielleicht die wichtigste Wahl der vergangenen Jahrzehnte vor uns. Es geht um die Zukunft unseres Vereins. Unser Ausgliederungsplan erstreckt sich über fünf Jahre. Am Ende soll der FCK bestmöglich in der Bundesliga, mindestens aber in der Spitze der 2. Liga spielen. In diesen fünf Jahren wollen wir 50 bis 60 Millionen Euro Eigenkapital einsammeln.“
2262 Mitglieder stimmten ab: 2084 dafür, 178 dagegen. 92 Prozent waren also für eine Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung in eine GmbH & Co. KGaA. Komplementärin, also die persönlich haftende Gesellschafterin, der KGaA ist die „1. FC Kaiserslautern Management GmbH“, deren Anteile stets vollständig vom e.V. gehalten werden und die zur Geschäftsführung berechtigt ist. Der Aufsichtsrat des e.V. entsendet seine Mitglieder in den Beirat der Management GmbH. Der “klassische e.V.” war damit Geschichte, die Probleme des Klubs aber noch lange nicht. Geld musste her. Aber wer investiert in einen Klub, der sich im freien Fall befindet?
Auch sportlich wurde es nicht besser, Ende November 2018 verlor Kaiserslautern mit 0:5 bei der SpVgg Unterhaching. Einen Tag später musste Michael Frontzeck gehen, der gebürtige Kaiserslauterer Sascha Hildmann übernahm den Platz auf der Trainerbank.
Im Aufsichtsrat zog man auch nicht an einem Strang. Schnell wurde klar, dass hier Gefechte auch offen ausgetragen werden, in dem Fan-Blog “blogvierzwei.de” wurde geschrieben, dass über den FCK berichtende Medien mit Indiskretionen aus den Führungsgremien gespeist wurden. Der Streit entfachte sich besonders an einer Frage: Wer ist ein geeigneter Investor für den FCK? Geeignet im Sinne von „seriös“. Die einen im Aufsichtsrat bevorzugten als Investor den Russen Michail Ponomarev, die anderen den Luxemburger Flavio Becca.
Ponomarev hatte bereits beim KFC Uerdingen sehr eigentümliche Führungsqualitäten unter Beweis gestellt und über Flavio Becca kursierten ebenso keine besonders positiv besetzten Nachrichten, er wurde in der Vergangenheit mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert. Oder, wie es FCK-
Experte Bernd Schmitt vom SWR auf einer Podiumsdiskussion ausdrückte: Ein seriöses Unternehmen investiere doch gar nicht in Fußball, schon gar nicht in den FCK. Wenn überhaupt, könnten die Pfälzer doch nur von einem „reichen Verrückten“ gerettet werden, für den ein Fußballklub ein „Spielzeug“ sei.
Im April 2019 – so berichten es die Medien – soll sich der Aufsichtsrat noch einmal zusammengerauft haben. Patrick Banf sollte zwar weiterhin dem Beirat der „1. FC Kaiserslautern Management GmbH“ sowie dem Aufsichtsrat der „1. FC Kaiserslautern GmbH & Co. KGaA“ vorstehen, den Aufsichtsratsvorsitz im Verein übernahm aber Michael Littig. Die Verhandlungen mit dem potenziellen Investor Flavio Becca sollten intensiviert werden.
Und tatsächlich: Anfang Mai veröffentlichte der FCK eine Erklärung, dass man den „möglichen“ Einstieg des Luxemburger Unternehmers Flavio Becca begrüße. Doch wenige Stunden später wurde die Meldung bereits ad absurdum geführt. Wie Kicker und SWR übereinstimmend berichteten, verlangte der als Milliardär bekannte Luxemburger für sein Engagement den Rücktritt von Michael Littig – bis zum nächsten Montag! Und weiter: Becca habe bislang lediglich ein Darlehen, also keine Investition, von 2,6 Millionen Euro zugesagt, falls auf seine Forderung eingegangen werde. Damit wäre zwar die herbeigesehnte Lizenz für die kommende Saison sicher gewesen – aber das wirkte wie Nötigung. Und Becca machte schon mal vor einem Investment klar, womit man bei ihm in Zukunft rechnen könnte.
Zugespitzt hatte sich die Situation, als der Beirat der FCK-KGaA mit einer 3:2-Mehrheit gegen eine Vertragsverlängerung von Geschäftsführer Bader gestimmt hatte. Und Becca schien Michael Littig als Widersacher ausfindig gemacht zu haben, der wohl ahnte, dass es dem Bauherren Becca gar nicht um die Rettung des Vereins ginge, sondern perspektivisch eher mit dem großen unbebauten Gelände rund um das Fritz-Walter-Stadion liebäugelte. So berichtete es die Saarbrücker Zeitung.
Bis Ende Mai brauchte der FCK Gelder in Millionenhöhe, um die Lizenz vom DFB zu erhalten, und Becca schien den Verein in seiner Hand zu haben. Doch am 6. Mai um 23 Uhr gab der Verein bekannt, dass Littig seine Ämter zunächst behält und eine regionale Investorengruppe für 3 Millionen Euro zehn Prozent Anteile an der KGaA erwerben wollte. Beccas Engagement schien damit vom Tisch, die ursprüngliche Taxierung des Vereins auf einen Wert von 120 Millionen Euro allerdings ebenfalls.
Zehn Tage später trat Michael Littig von seinen Ämtern zurück, die regionale Investorengruppe war aus dem Rennen und Becca galt auf einmal doch wieder als zukünftiger Investor. Littig begründete seinen Rücktritt damit, Ruhe in die Gremien bringen zu wollen. Über die wahren Hintergründe sollte erst die Mitgliederversammlung am 1. Dezember Aufschluss geben.
Doch vorher waren auch noch die Fans in Aufruhr, es bildete sich eine Initiative „FCK jetzt!“, die Unterschriften für eine außerordentliche Mitgliederver-
sammlung sammelte, doch daraus wurde nichts. Dennoch mehrten sich im Vorfeld der Mitgliederversammlung die Stimmen der Fans, denen das so langsam alles reichte. Auch die sportliche Situation fand ihren Tiefpunkt mit der 1:6-Niederlage beim SV Meppen, was auch den Rausschmiss von Trainer Hildmann bedeutete. Die Trennung von Sport-Geschäftsführer Martin Bader war ebenfalls bereits beschlossen. Zwei Mitglieder, die sowohl im Beirat als auch im Aufsichtsrat saßen, waren zurückgetreten; eine alternative Führungsmannschaft brachte sich in Stellung. An ihrer Spitze ein alter Bekannter: Ex-Schiedsrichter Dr. Markus Merk.
Auf der Mitgliederversammlung am 1. Advent ging es hoch her. 1750 Mitglieder waren gekommen und vergaben gleich mehrere „Ohrfeigen“. Martin Bader (Sportvorstand), Michael Klatt (Finanzvorstand), Wilfried de Buhr (Vorstand), Patrick Banf und Jochen Grotepaß (beide im Aufsichtsrat) wurden nicht entlastet. Gewählt wurde das „Team Merk“, in das nun viel Hoffnung steckt, den Karren aus dem sportlichen und finanziellen Dreck herauszuziehen. Der am 16. Mai zurückgetretene Ex-Aufsichtsratschef Michael Littig legte nun ebenfalls seine Sicht der Dinge dar. Mehrfach kämpfte er dabei mit den Tränen und kam bei der Schilderung der Ereignisse im Mai ins Stocken. Er berichtete von „mangelndem Vertrauen, nicht eingehaltenen Versprechungen, Drohungen und anderen zutiefst grenzwertigen Handlungen“. Damit wurde nun klar, dass Littig seinen Platz nicht freiwillig, sondern auf Druck und Drohung geräumt hatte.
Der neue FCK-Trainer heißt Boris Schommers. Sein Team gewann zuletzt neun von elf Spielen plus zwei Remis. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels stehen die Roten Teufel in der Dritten Liga auf dem zehnten Platz. Doch es drücken weiter massive Geldsorgen: die Stadionmiete, der fehlende Ankerinvestor un der drohende Lizenzverlust.
Markus Merk spricht aktuell mit vielen potenziellen Investoren. Auch wieder mit Flavio Becca.